Gemälde des 19. Jahrhunderts

# 110 | 111 34 1 | Brief Carl Morgenstern vom 8. Januar 1844 an Malwida von Meyenbug, zitiert nach Inge Eichler: Carl Morgensterns Flusslandschaften unter besonderer Berücksichtigung seiner Rhein- und Nahelandschaften, in: Mainzer Zeitschrift. Mittelrheinisches Jahrbuch für Archäologie, Kunst und Geschichte 73/74, 1978/79, S. 235. 2 | Ebd. S. 238. Öl auf Leinwand 19 cm ✗ 28 cm Unten rechts mit dem Stempel: „C.Morgenstern / Nachlass“, verso mit dem Stempel: „C. Morgenstern / Nachlass“ (Lugt 5879), auf demKeilrahmen bezeichnet: „138Mittagsonne, St.Goarshausen“ Provenienz: Aus demNachlass des Künstlers; Luise Morgenstern, geb. Bansa (1824–1913), Frankfurt amMain; Frankfurter Kunstverein, Auktion Gemälde von Carl Morgenstern, 19. November 1918, Los 109;Wien, Dorotheum, 17. Februar 2014, Los 115 Der Rhein bei St. Goarshausen, 1874 Carl Morgenstern (1811 Frankfurt am Main 1893) Im Jahr 1843 gab der Engländer George NewenhamWright die deutsche Ausgabe seines Reisebuchs unter dem Titel Der Rhein, Italien und Griechenland heraus, in dem zahlreiche Rheinansichten mit Bildern aus den südlichen Gegenden Italiens und Griechenlands konkurrierten – die Nennung des Rheins in einem Atemzug mit Italien und Griechenland mag uns heutzutage verwundern, doch haben nachromantische Künstler wie der Frankfurter Maler Carl Morgenstern anders empfunden. Als er sich im Sommer des gleichen Jahres mehrere Wochen in Rüdesheim aufhielt, notierte er später: „[Ich] konnte von meinem Fenster Sonnenaufgang,Mittag und Abend sehen mit dem herrlichen Rhein, dem schönstenWasserspiegel, […] zeichnete mir manches und machte viele Studien, jede verschieden in Farbe und Stand der Sonne, lebte nur in meinen Studien, sehr ungestört und recht zufrieden, wie in Italien auf dem Lande, nur angenehmer, weniger heiß, und hatte dasselbeWetter […].“ 1 Spätestens seit Ende des 18. Jahrhunderts hatte sich das Motiv der Rheinlandschaft als topografischeGattung etabliert und in der erstenHälfte des 19. Jahrhunderts konnten zahlreiche Rheinalben die Nachfrage eines touristisch orientierten Publikums kaum befriedigen. In diesem künstlerischen Ambiente des Aufbruchs und neuer Mobilität war Carl Morgenstern in Frankfurt in einer alteingesessenenKünstlerfamilie aufgewachsen – nachAufenthalten inMünchen und in Italien Mitte der 1830er Jahre war er nach Frankfurt zurückgekehrt. Von dort entdeckte er in den folgenden Jahren den Rhein und seine pittoresken Gegenden als Motiv für sich. Bis 1868 bereiste Morgenstern wiederholt den Rhein und hielt sich bevorzugt in Rüdesheim, Lorch, St.Goarshausen, Königswinter und Oberwesel auf. Unser kleinformatiges Gemälde trägt rückseitig auf demKeilrahmen die Aufschrift „Mittagssonne, St. Goarshausen“ und dürfte mit jener Ansicht identisch sein, die 1918 aus dem Nachlass von Morgensterns Gattin Luise unter demTitel „Sonnige Rheinlandschaft.Motiv bei St. Goarshausen“ versteigert wurde. Besonders in den 1850er Jahren besuchteMorgenstern St.Goarshausen mehrmals 2, und es ist wahrscheinlich, dass unsere kleine Ölstudie während eines dieser Aufenthalte entstanden ist. Der Blick geht vom rechten Ufer rheinabwärts über den zum See geweiteten Fluss hinüber nach St. Goar, das im Dunst liegend mit wenigen Pinselstrichen inWeiß nur angedeutet ist.Über der Stadt liegt auf demHügel die Ruine der BurgRheinfels – auch sie nur schemenhaft aus demUngewissen auftauchend. Morgensterns Blick über den Rhein verzichtet ganz auf die Angabe topografischer Identifikationspunkte; er befriedigt kein touristisches Bedürfnis nach einemAndenken oder nach einer Erinnerung an einen Besuch, sondern spürt mit besonderer malerischer Sensibilität den sich zwischen Morgenfrühe und Abend-

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