Gemälde des 19. Jahrhunderts

# 116 | 117 36 1 | Hierzu jüngst Gerd Spitzer: Der Lehrer Ludwig Richter und seine Schüler, in: Ein bleibender Eindruck. Ludwig Richter als Lehrer, H. W. Fichter Kunsthandel, Frankfurt am Main 2023, passim. Dabei wäre weniger eine künstlerische Abhängigkeit zu rekonstruieren als vielmehr die Möglichkeiten und Wege zu beschreiben, die der Unterricht Richters seinen Schülern geebnet hat, vgl. ebd. S. 20–21. 2 | Karl Josef Friedrich: Ludwig Richter und sein Schülerkreis, Leipzig 1956, S. 107. 3 | Vgl. etwa Landschaft mit Diana und Aktäon, 1880, Öl auf Leinwand, 100,7 ✗ 161,7 cm, Chemnitz, Kunstsammlungen, Inv. Nr. KH-38. Öl auf Papier, aufgezogen auf Pappe 24,5 ✗ 33,7 cm Verso von fremder Hand bezeichnet: „No= 23 Rusch“ Landschaft mit Bäumen, um 1870 Adolph Thomas (1834 Zittau – Dresden 1887) Der aus Zittau stammende Adolph Thomas gehörte zu Beginn der 1860er Jahre in Dresden nebenViktor Paul Mohn, Albert Venus und CarlWilhelm Müller zuLudwigRichters begabtesten Schülern, die mit ihremLehrer eine enge Ateliergemeinschaft bildeten und ihn auf seinen ausgedehntenWanderungen in die Sächsische Schweiz und nach Böhmen begleiteten.Während die drei anderen Genanntenwenig später denWeg nach Italien fanden, brachThomas 1864 mit einemStipendium zunächst zusammen mit Müller nach Oberbayern undTirol auf, um sich danach länger inMünchen aufzuhalten.Von hier gingMüller imFrühjahr 1866 nach Rom und nahm dort wenig später Mohn undVenus in Empfang – auch Thomas wurde dort zur Wiedervereinigung sehnsüchtig erwartet, doch blieb er in München. Erst 1870 sollte er Gelegenheit haben, nach Italien zu reisen. Für Mohn,Venus undMüller wurde Italien zum künstlerischen Erweckungserlebnis, hier emanzipierten sie sich von dem Richterschen Primat der Linie, Farbe dringt in einerWeise in ihre Bildwelt, die sie als eigenständige Individuen aus Richters Schülerschaft heraushebt. Das Vorbild Richters wirkte in Dresden bis tief in die zweite Jahrhunderthälfte, und es wäre lohnend, im Spannungsfeld von Tradition und neuen malerischen Tendenzen den Prozess zu untersuchen, wie sich die zahlreichen Schüler Richters vom Vorbild des Lehrers lösten und ihm trotzdem verpflichtet blieben 1, wozu dann auch unbedingt Adolph Thomas gehören müsste. Für ihn war aber nicht der Aufenthalt in Italien richtungsweisend, er legte bereits in München „die strenge, gebundene Zeichenart Richters ab und ergab sich dem malerischen Realismus der Münchner Schule.“ 2 Namentlich dem Einfluss von Adolf Lier und den Brüdern Adolf und Richard Zimmermann, zu denen landsmannschaftliche Verbindungen bestanden, aber wohl auchFriedrich Voltz ist Thomas’ Bemühen zu verdanken, dass sich seine Farbpalette öffnete, sie heller und frischer wurde, er auf die konturierende Linie der Richter-Schule verzichtete – einzig in seinen zum Verkauf bestimmten Landschaften machte er Zugeständnisse an den akademischen Zeitgeschmack. 3 Daneben stehen aber seine freien, der Natur abgeschauten Studien, die heute die Wahrnehmung desMalers bestimmen.Auf unseremGemälde führt einHohlweg in eine von Gebirgszügen gesäumte Ebene, doch wird ihr Zugang durch dichten, sich gegenseitig überschneidenden Baumbewuchs regelrecht versperrt – es ist ein unspektakuläres Stück Natur voll zupackender Unmittelbarkeit. Aus fein abgestuften, tonigen, mit leichtem Pinselzug angelegten Grün- und Brauntönen entwickelt Thomas das Bild einer Landschaft, die durch keine romantischen Requisiten oder Staffage ‚gestört‘ wird; das Gesehene wird zu Landschaft und der Künstler entfernt sich darin von seinem romantisch geprägten Lehrer. Im Mu-

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