Christin Wilcken

Schattenwelten

Laufzeit:  15. November - 20. Dezember 2019  

Das Werk von Christin Wilcken lockt den Betrachter nahe heran. Der Kontrast von Schwärze zum papiernen Untergrund sowie die satte dunkle Farbtiefe senden eindeutige erste Signale. Doch nähert sich das Auge dem Kunstwerk oder verändert sich der Blickwinkel im Raum, verändert sich auch der Charakter der Oberflächen. Lichtreflexe leuchten auf, dunkelbunte Farben werden erkennbar, ein schattenwerfendes Relief bildet sich heraus und die von weitem so erschienene Schwärze bildet Binnenzeichnungen aus, offenbart ein Wechselspiel von Kohle und Grafit. So ist der Graphit etwa bei der Serie Klaipeda kräftig aufgetragen und gewährt dem aufmerksamen Auge die Wahrnehmung sorgfältig gesetzter Striche, die sich zu einer seidigen Oberfläche vereinen. Die opake Kohle verdichtet den silbrigen Glanz des Grafits und setzt dabei dunkle Akzente. Im glänzenden Schwarz formen sich abstrakte Figuren, die an einen Blick in ein Mikroskop erinnern. Dem Betrachter erscheinen kristalline Strukturen, wo die Linien gerade geführt sind und nahezu organische, an fossile Federn erinnernde Gefüge, wo die Linien geschwungen sind.

Auch die mit dem treffenden Namen Nacht benannte Serie folgt dem Prinzip liebevoll artikulierter Linien von Grafit und schwarzem Buntstift zu Phantasieobjekten. Themengerecht ist hier auch das Papier selbst schwarz. Trotz dieser Farbähnlichkeit jedoch kann spielend der dunkle Strich vom schwarzen Papier unterschieden werden, da er vom silbernen Leuchten des Grafits dominiert wird. Wie ein schattenhaftes Wesen hebt sich die Form vom dunklen Hintergrund der Nacht ab. Die abstrakten Naturbeobachtungen gleichenden Darstellungen formen sich in der Serie Wälder zu einer klaren Formensprache im Sinne eines Landschaftsbildes. Aus dem mutmaßlichen Blick durch das Okular eines Mikroskopes wird der fingierte Blick durch ein Fernrohr gerichtet auf den Horizont eines Gebirges. Sogleich vermeint man, karge Felsen und zerklüftete Vorsprünge wahrzunehmen. Auch die Erinnerung an ein Schattentheater drängt sich auf. Die lange Tradition des Schattenspiels, die zur Zeit der Romantik nicht nur in Form der beliebten Porträtsilhouetten aufgegriffen wurde und weite Verbreitung fand, wird in Christin Wilckens Wäldern zu einem poetischen Bild der Natur interpretiert. Doch sind Christin Wilckens Landschaften nicht auf die scherenschnitthafte Zweidimensionalität des ersten Eindrucks beschränkt. Beim zweiten Blick eröffnen sich Täler und Schluchten, die durch die andersartige Schraffur des Grafitstiftes entstehen und dem Gebirge zu eindrucksvoller Körperlichkeit verhelfen. Was als Betrachtung eines abstrakten, vor allem durch schwarze und weiße Flächigkeit bestimmten Bildes beginnt, endet in der Beobachtung eines Landschaftsausschnittes, der die Materialität des Gesteins ebenso überzeugend suggeriert wie den dunstigen Nebel, der vom Grat einer Horizontlinie aufsteigt.
Das Sphärische der Landschaft greift auch die Serie Dämmerung auf. Papier in dunkler oder erdiger Farbigkeit ist mit einem Hauch der bereits bekannten Zeichenmaterialien getönt. Wie eine impressionistische Naturbeobachtung wabernden Nebels – hier Schwarz statt Weiß –, erinnernd an die Erhabenheit romantischer Nebellandschaften Caspar David Friedrichs oder Ernst Ferdinand Oehmes, schweben Kohle und Grafit beinahe über dem Papier. Dieses liegt zudem auf einem Holz auf, das das flache Medium der Zeichnung in den Raum hineinhebt. Geradlinig und säuberlich bearbeitet liegt ein gewisser Kontrast zur beinahe flüchtigen Darstellung der Zeichnung vor, doch handelt es sich hier keineswegs um einen streng orthogonal geschnittenen Block. Vielmehr stehen alle Seiten und Kanten schräg zueinander oder sind gegeneinander versetzt. Die auf diese Weise verschobene Form entspricht der beweglichen Gestalt des Nebels und inszeniert darüber hinaus ein lebendiges Schattenspiel auf der Wand, das sich je nach Lichtsituation und Betrachterperspektive verändert.
Nicht zuletzt die Radierungen der Serie Schein II verbildlichen Christin Wilckens Spiel mit dem Schatten. Gezielt mit der kalten Nadel oder im Mezzotinto-Verfahren, bei dem aus der erst ganzflächigen Schwärze die hellen Bereiche ans Licht gebracht werden, verdunkelt sie die blanke Metallplatte. Nach dem Druck nimmt die Künstlerin auch hier das Zeichenwerkzeug zur Hand und zeichnet farbige oder grafitene Linien. Die dunklen, oft nur schemenhaften Darstellungen werden verdeckt und müssen sich einer Verschattung durch geometrische Linearität stellen. Die Reliefierung des Papiers durch den festen Druck der Striche sowie die glänzende Farbigkeit führt dabei zu einer spannenden Metamorphose des Werkes, dessen Aussehen je nach Umgebungssituation changiert. Das Spiel mit Licht und Schatten funktioniert also nicht nur in der gezeichneten Darstellung, sondern zugleich in der Wirkung des tatsächlich greifbaren Werkes auf den Betrachter.

(Text: Benedikt Ockenfels)

 

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