Produktinformationen "Golf von Neapel"
Vorlage für ein Gemälde aus der Hamburger Kunsthalle. Eine kleine Szene mit Mutter und Kind im Vordergrund lenkt den Blick zunächst nach links zu der kleinen Türöffnung in einer Mauer unter charakteristischer südländischer Vegetation: von Schirmpinien beschattet, recken Agaven und Kakteen ihre Blüten und Blätter. Zur Blattmitte hin öffnet sich die Sicht auf eine Straße mit Fuhrwerken und dahinter auf eine geschwungene Küstenline und Berge in der Ferne.
Wenn Paris die Hauptstadt des 19. Jahrhunderts ist, dann ist die Zeichnung seine künstlerische Ausdrucksform. Kaum ein Medium hat solch einen rapiden Aufstieg vom Hilfsmittel in der Werkstatt hin zum eigenständigen Kunstwerk hingelegt. Mit der hier vorgestellten Werkgruppe von Zeichnungen des Dresdner Malers Carl Wilhelm Götzloff befinden wir uns im emanzipierten Bürgertum, dass durch sein Verlangen nach Bereicherung durch Kunst, Zeichnungen und kleinere Gemälde erst salonfähig machte. Götzloffs Generation hat hiervon im Besonderen profitiert, konnte sie doch mit ihrem Changieren zwischen klassizistischem Ideal und realistischer Weltaneignung eine Brücke schlagen von der Welt des klassischen Adels hinein in die Bürgerstube der Käuferschicht. Und da bereits im 19. Jahrhundert das Reisen als Ausdruck eines bürgerlichen Aufstiegs gesehen wurde, kommt der nahen und fernen Landschaft eine besondere Bedeutung zu. Die Maler und Zeichner bedienen und prägen diese Entwicklung gleichermaßen durch ihre Kunstwerke.
Die klassizistischen Formenmuster sind dabei das historische Gerüst und bieten Rückversicherung, die Motive aber sind modern und real, frei von der antiken Götterwelt, die als Blaupause so viele Jahrhunderte alles bestimmte. Aus dem Mythos der Antike wird der Traum der Ferne, den man als Tourist in die Heimat holt. Und da eine der Leitwissenschaften des 19. Jahrhunderts die Archäologie war, reiste man nicht mehr nur sentimental im Sinne eines mythischen Griechentums, sondern auch messend und forschend, was sich schließlich auch in der Kunst niederschlug.
Im Falle von Götzloff ist dieser Übergang besonders geprägt und pointiert durch seine Schülerschaft bei Caspar David Friedrich in Dresden in den Jahren von 1814 bis 1821, der, zumindest retrospektiv betrachtet, der Urtyp des romantischen und damit modernen Künstlers ist. Auch wenn man von Friedrichs Lehrtätigkeit wenig weiß, so ist bekannt, dass er von ausgetretenen Pfaden und Traditionsbewusstsein wenig hielt. Auf den Schultern von Riesen wollte er nicht stehen und propagierte eine Kunst, die nicht belehrt und erzählt. Vielmehr sollten die Gefühle des Malers ihren Weg aus dem Inneren über die Hand in das Kunstwerk finden und von dort wieder auf den Betrachter zurückwirken. Das ist die Freiheit und der intime Dialog der Moderne.
Götzloff konnte als von Friedrich lernen, dass Tradition eine Grenze ist, die man überwindet, wenn man sie erkennt und dass es auf ein Gestimmt-sein im Künstler ankommt, um Stimmung beim Betrachter zu erzeugen. Dass diese Stimmung etwa in der Landschaftsmalerei nicht durch fotografische 'Abklatscherei' der Natur entstehen kann, lehrte Friedrich seinen Schülern. Das Studium der Natur muss sein, aber nicht um seiner selbst willen. Vielmehr soll der Maler malen, was er in seinem Inneren sieht und das Studium der Natur liefert ihm für dessen Artikulation auf der Bildfläche die Vokabeln.
Diese Vorbemerkungen helfen, die Zeichnungen Götzloffs in ihrer Zeit einzuordnen und ihre Bedeutung zu erkennen. Sie sind als Kunstwerke nicht im Status der Skizze oder Vorarbeit gefangen, sondern beanspruchen einen eigenständigen Wert. In ihnen äußert sich das Kunstwollen der romantischen Schule vielleicht sogar am deutlichsten, weil in der Zeichnung noch das Licht jener inneren Gestimmtheit leuchtet, das im Ölbild ungleich schwerer durchzubrechen vermag.
Götzloff zog es nach Italien, wo er ab 1825, mit Unterbrechungen in Rom und Sorrent, in Neapel heimisch wurde. Mehrfach bereiste er Sizilien und besucht unter anderem Palermo, Agrigent, Syrakus und das antike Segesta.
Wer die Zeichnungen lediglich wegen ihres dokumentarischen Charakters bewundern möchte, dem ist dies nicht genommen. Schon Caspar David Friedrich konstatierte, dass man in seinem Gemälde "Kreuz an der Ostsee" beides erkennen kann: das bloße Holzkreuz oder aber den Trost, den es spenden kann. Es lohnt sich aber, über die reine Darstellung hinaus einen Blick in die künstlerischen Beweggründe des 19. Jahrhunderts zu werfen und Götzloffs Zeichnungen sind hierfür ideale Kandidaten.