Eduard von Gebhardt

EDUARD VON GEBHARDT Studien für das Kloster Loccum

EDUARD VON GEBHARDT Studien für das Kloster Loccum

4 Die hier vorgelegten Studien stammen von Eduard von Gebhardt, einem der wichtigsten deutschen Maler seiner Zeit. In ihrer Frische und Momenthaftigkeit führen diese Ölskizzen und Zeichnungen in einen Werkprozess, zu dem sie auf unterschiedlichen Ebenen beitrugen: Sie erproben und studieren Körperhaltungen, Gewandfalten und die anatomische Richtigkeit von Figuren, ebenso in unterschiedlichste Handlungen verwickelte Hände aus verschiedenen Perspektiven, und »Ein durchaus eigenartiger, durchaus ernster und tiefer Meister voll individuell pulsierenden Lebens« Religiös-patriotischer Realismus? Ulrich Pfarr Eduard von Gebhardt und seine Studien für das Kloster Loccum

5 einige erfassen den beseelten Ausdruck individueller Menschen. Wenn sie das Neue der Bildsprache erahnen lassen, die mit dieser minutiösen Vorbereitung realisiert wurde, so konnte das damit verbundene Projekt monumentaler Wandmalerei in dem abgelegenen, 1163 gegründeten Kloster Loccum jedoch nur in einer spezifischen historischen Konstellation entstehen. Denn die nicht zuletzt von der Düsseldorfer Malerschule vorangetriebene Ausprägung einer religiösen Historienmalerei war eng verknüpft mit den politischen Bestrebungen und den Institutionen des Deutschen Kaiserreichs, einer Epoche, die sich selbst als historisch begriff. Seit Ende des Ersten Weltkriegs ist das Kaiserreich buchstäblich Geschichte, doch wie wenig dieses Kapitel als abgeschlossen gelten kann, veranschaulichen die aktuellen Debatten um das koloniale Erbe in Sammlungen und Museen. Von dieser Zeit trennen unsere Gegenwart historische Einschnitte und Epochenbrüche, und so wird ein künstlerisches Werk, das uns in seiner Originalität wieder anzusprechen vermag, nicht mehr unmittelbar verständlich. Mit dem am 13. Juni 1838 in eine estländische Pastorenfamilie geborenen Deutsch-Balten 1 Gebhardt, der jahrzehntelang an der Düsseldorfer Kunstakademie lehrte und seiner frühen Heimat stets eng verbunden blieb, fiel einer der bedeutendsten Künstler der Periode weitgehend dem Vergessen anheim. Wenngleich er in der Zeit der Avantgarden und Modernismen des frühen 20. Jahrhunderts noch bis ins Alter produktiv war und einigen Ruhm genoss, als er am 3. Februar 1925 in Düsseldorf starb, musste seine Kunst vor dem Hintergrund von Expressionismus, Dada, Konstruktivismus und Neuer Sachlichkeit zuletzt hoffnungslos veraltet anmuten. Impulse des Impressionismus sind in seinem Werk weitgehend fremd geblieben, und der Sezessionskunst, die er 1908 in München sah, stand er ablehnend gegenüber. 2 Dabei hatte sich Gebhardt mit seiner ungewöhnlichen Spielart des Realismus, von der unsere Studien zeugen, weitreichende, auch internationale Anerkennung erworben. Carl Woermann, der in Düsseldorf 1874 zeitgleich mit Gebhardt berufene Kunsthistoriker, zählte den „durchaus eigenartige[n], durchaus ernste[n] und tiefe[n] Meister, voll individuell pulsirenden Lebens“ 3 mit Hans Makart, Mihály von Munkácsy und Franz von Lenbach 1894 zu den wichtigsten Malern der Gegenwart. 4 Im Bereich der religiösen Kunst galt Gebhardt noch als Patriarch 5, als der Erste Weltkrieg sein politisch-ästhetisches Bezugssystem längst hinweggefegt hatte. Wie Dietrich Bieber und Ekkehard Mai 1979 betonten, sind nicht nur die Werke der Wilhelminischen Ära heute verschüttet, da viele im Krieg zerstört und – so auch im Fall Gebhardts – Hauptwerke in die Depots großer Museen verbannt wurden 6, vielfach verschüttet sei auch ihr Verständnis. 7 Seither wurde Gebhardt eine Dissertation gewidmet 8, und im Zuge neuer Forschungen und Ausstellungen zur Düsseldorfer 1 Linke Seite: Eduard von Gebhardt, um 1900, Fotografie. Berlin, Sammlung Archiv für Kunst und Geschichte.

6 Malerschule erlebt er eine Wiederentdeckung. Wir müssen uns in die wichtigsten Jahre seines Wirkens versetzen, um das Aufsehenerregende, Neue und für allzu konservative Zeitgenossen Provokative seiner Strategie zu erfassen und uns den Motiven seines Schaffens zu nähern. Im Januarheft 1878 des protestantischen Christlichen Kunstblatts, das von Julius Schnorr von Carolsfeld mitbegründet worden war, erschien eine durchweg positive Vorstellung Gebhardts, die Teile der Leserschaft überrascht haben dürfte. Eingeleitet wurden sie von Äußerungen des Künstlers, die seine Distanzierung von der seinerzeit in der religiösen Kunst noch vorherrschenden nazarenischen Ästhetik bekunden: „Was mich bewogen hat, eine Form zu wählen, die von den übrigen Malern solcher Gegenstände abweicht, war das Gefühl, daß in der üblichen Form, die in eklektischer Weise sich an verschiedene Kunstweise anlehnt, die Kraft des nationalen und individuellen Elements verloren gegangen ist. Mir ist, als könne man dem Menschen nicht recht zu Herzen reden, wenn man nicht ganze, wirklich in sich abgeschlossene Menschen schildert, und ein solches Individuum kann nicht anders gedacht werden, denn in seiner Nation mitten inne stehend. So, glaubte ich, müßte man die heilige Geschichte als Tradition des eigenen Volkes behandeln. Es ist ja allerdings eine Kunst denkbar, die im größten monumentalen Stil sich über all diese Dinge erhebt. Es kommt aber bei der Darstellung der biblischen Gegenstände nicht auf geographische und historische Richtigkeit, sondern nur auf die innere Wahrheit an, die man in deutlichster Weise dem Beschauer aussprechen muß.“ 9 Hier kommen mehrere für Gebhardt zentral bedeutsame Momente zur Sprache, die sich in unseren Studien manifestieren. In seiner Kunst möchte er Glaubensbotschaften durch spezifisch deutsche, seinem Publikum vertraute Merkmale und die Darstellung individueller, realer Menschen zeitgemäß vermitteln. Deutlich hervor tritt dabei die Kritik am Idealismus der Nazarener-Kunst, die den klassizistischen Prinzipien der Klarheit von Form und Linie und der Harmonie von Proportionen und Bildarchitektur verpflichtet war. Primär schätzten die Nazarener Vorbilder der italienischen Renaissance, die sie jedoch, wie etwa Schnorrs Nibelungenzyklus in München demonstriert, mit altdeutschen Motiven und gotischen Stilelementen verbanden. Friedrich Overbecks auch in Düsseldorf geschätztes Gemälde Germania und Italia (1828) 10 zeigt darüber hinaus beispielhaft, dass die Nazarener-Kunst eine Ideenmalerei war und somit abstrakten ästhetischen und theologischen Konzepten näherzukommen schien als der von Gebhardt eingeforderten Lebenswirklichkeit. Damit trat Gebhardt in offenenWiderspruch zur Kunstdoktrin des ChristliBiblische Historienbilder als Antwort auf die Krise der Religion

7 chen Kunstblatts, die der Mitbegründer Carl Grüneisen 11 1858 im Vorwort der ersten Ausgabe formuliert hatte. Insbesondere forderte der kunstsinnige Theologe dort eine der Glaubensvermittlung unterworfene und ausschließlich dem Idealen und Schönen huldigende protestantische Kunst. 12 Den Leserinnen und Lesern, die sich unter Gebhardts Auffassung des „nationalen und individuellen Elements“ noch wenig vorstellen konnten, kündigte der Autor „M“ 13 1878 die Abbildung von Gebhardts Altargemälde (Abb. 2) einer Kreuzigung nicht ohne Warnung an: „Der beigegebene Holzschnitt z. B. wird vielleicht beim ersten Anblick Manchen abschrecken; ein tieferes Eingehen wird ihn aber sicherlich Werth und immer werther machen.“ Tatsächlich vermittelt die Abbildung die eindrücklichen Realismen des 1866 gemalten Altarbilds in Reval (heute Tallinn) 14 vorwiegend in der kompositionellen Asymmetrie. Entschärft erscheinen dagegen die entidealisierten und vom Leid gezeichneten Gesichter der Heiligen unter dem Kreuz und ebenso die Drastik in der Schilderung des Ausdrucks Jesu. In Reval war 1866 bei der Ausstellung des Gemäldes vor seiner Weihe als Altarbild besonders die Darstellung des leidenden Christus kritisch aufgenommen worden, weil die menschliche Natur Jesu damit zu sehr betont werde. 15 Eindrücke von Gebhardts seit dem Frühwerk präsenten Bemühen, überlieferte Vorstellungen wirklichkeitsnah zu beleben, liefern Ölskizzen aus dem Umfeld der Arbeiten für Loccum. So schließt die Inszenierung des prägnanten Studienkopfes einer älteren Frau mit Haube (Kat.-Nr. 4) typologisch an eine Studie für die Maria des Revaler Altarblattes 16 an, auch wenn sich die konkreten Ausdrucksgehalte unterscheiden. Auf die mangelnde Wiedergabe der Physiognomien im Holzschnitt machte das Christliche Kunstblatt selbst aufmerksam. Empfohlen wurde daher der Erwerb einer unter Gebhardts Aufsicht entstandenen Lithographie, die alle Mitglieder des von Grüneisen 1857 gegründeten Vereins für christliche Kunst schon als Weihnachtsgabe erhalten hatten. 17 Daran zeigt sich die wachsende Medienpräsenz Gebhardts, der über von Zeitschriften beworbene und vertriebene Reproduktionen seiner Bildschöpfungen nicht nur die Haushalte der protestantischen Bildungsschicht und somit den Alltag erreichte, sondern auch politische Entscheidungsträger. 18 Auch auf internationalen Ausstellungen war der 2 Altarbild in Tallinn, aus: Christliches Kunstblatt, 20, Nr. 1 (1. Januar 1878). Universitätsbibliothek Heidelberg.

8 39-Jährige zu diesem Zeitpunkt vertreten: Aus der Berliner Akademieausstellung 1872 erwarb die Nationalgalerie mit dem 1870 fertiggestellten, monumentalen Gemälde Das letzte Abendmahl eines der Hauptwerke Gebhardts, das in der Folge u. a. auf den Weltausstellungen Wien 1873 und Paris 1878 präsentiert wurde. 19 Carola Gries belegt die umfangreichen Vorarbeiten Gebhardts seit 1868, wobei nicht zuletzt auch Studien estnischer Bauern als Vorbilder einzelner Jünger dienten. 20 Es waren diese zu den ikonographischen Vorläufern des Gemäldes bis zurück zu Leonardo kontrastierenden realistischen Momente, die auf einen Teil des Publikums verstörend wirkten und ein kontroverses Presseecho hervorriefen. 21 Dies macht verständlich, weshalb auch der rühmende Artikel über Gebhardt, den Grüneisen selbst in das Christliche Kunstblatt aufgenommen hatte, nicht unwidersprochen bleiben konnte. Ausgerechnet der Mitherausgeber, der konservative Spätnazarener Karl Gottfried Pfannschmidt 22, war offenbar nicht ausreichend ins Vertrauen gezogen worden und fühlte sich düpiert. Pfannschmidt eröffnete das Oktoberheft des gleichen Jahrgangs mit einer Stellungnahme, in der er aus seinem Brief vom Dezember 1877 an den im Februar 1878 gestorbenen Grüneisen zitierte: „Das Ideale, Reale ist ja jetzt verpönt, und die schmutzige Materie die erwünschte Speise. Der Tod des Erlösers, die Versenkung in sein Leiden, der Trost, der aus diesem Leiden geboren wird, der Gott, der Held, der auch am Kreuze noch Gott bleibt, soll nicht dargestellt werden; sondern der gewöhnliche Mensch, der den Lohn der Missethat trägt. Der Glaube wird über Bord geworfen, und man freut sich, wenn auch in der Kunst diese Gesinnung einen Ausdruck findet. — Doch Sie kennen ja die Wirkungen des Materialismus und seine tödtende Gewalt über alle Lebenskeime, über alle dauernde Schönheit und Wahrheit (…). Sollten also die mir bekannten Werke v. Gebhardt‘s in unserem Blatte besprochen werden, so würde es nur in der Weise sein können, daß sie als ein trauriges Zeichen unserer kranken Zeit Erwähnung finden, der so kranken Richtung, die in eine allgemeine Versumpfung ausläuft“ 23 Imweiteren Text brachte Pfannschmidt ebenso wie viele andere Kritiker große Anerkennung für Gebhardts Fähigkeiten als Maler auf 24, sein Hauptvorwurf blieb aber, die religiöse Botschaft werde in wirklichkeitsnahen Darstellungen profaniert. Dies zielt auf ein Grundproblem des neuen Genres der religiösen Historienmalerei, die biblisches Geschehen völlig in die Gegenwart versetzen konnte, wie dies der im 19. Jahrhundert 25 und noch heute notorisch mit Gebhardt verglichene Fritz von Uhde tat. Maler einer wenig jüngeren Generation, genannt seien nur Wilhelm Trübner, Max Liebermann und Max Klinger, fassten religiöse Szenen noch konsequenter als Alltagsgeschehen auf und überführten biblische Themen in ihre künstlerische Imagination. Dennoch wird Pfannschmidts Kritik den Motiven Gebhardts, der später im privaten Medium des Briefs selbst über den Materialismus klagte und ähnliche Kulturkritik übte 26, sicherlich nicht gerecht.

9 Durch die Berufungen um 1830 war die Nazarener-Kunst, deren Protagonisten beiden christlichen Konfessionen angehörten, in den deutschen Akademien und in der Öffentlichkeit so allgegenwärtig geworden, dass sie ihre Überzeugungskraft einbüßte. Obwohl selbst volksnah und modern gedacht, erschienen diese Bilder in der zweiten Jahrhunderthälfte dem jungen Gebhardt steril und ausdruckslos, als er seine Kunstausbildung bei typischen Vertretern der Nazarener in Russland 27 begann. Im Jahr 1900 gab er zu Protokoll: „Ich habe damals absolut nichts schaffen können, weil ich in der nazarenischen Formensprache nichts auszudrücken vermochte. (…) Drei unfruchtbare Jahre verbrachte ich in der Akademie zu St. Petersburg.“ 28 Zu den Folgen der Säkularisierung, auf welche die Nazarener reagiert hatten, traten im 1871 begründeten Kaiserreich äußere Faktoren, namentlich die Entwurzelung des Industrieproletariats, das Wachstum der Städte und der Militarismus, als dessen Symptom der Bismarck-Kult zu betrachten ist 29, die tradierte Anschauungen und die Bedeutung der Religion selbst infrage stellten. 30 Im Kulturkampf wurde die Religion politisch instrumentalisiert 31, und die Kunst war damit noch mehr vor die Aufgabe gestellt, für die Fragen der Zeit neue Antworten zu finden. Zwei Faktoren erweisen sich für die von Gebhardt gefundenen Lösungen als wesentlich: Zum einen die seit den 1830er Jahren virulent gewordene wissenschaftliche Bibelforschung, die der Malerei den Weg vom idealisierten ‚Sonntagschristus‘ der Tradition hin zum lebensweltlichen ‚Alltagschristus‘ wies, zum anderen die der Reichseinigung folgende Nationalisierung der Reformation, die der protestantischen Historienmalerei eine staatstragende Rolle zudachte. Mit dem von einflussreichen Büchern wie David Strauß’ Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet (Tübingen 1835) und Ernest Renans Das Leben Jesu (Paris 1863) gezeichneten neuen Christusbild, das Christus als historische Figur zu betrachten erlaubte, eröffneten sich neue Möglichkeiten, Bilder des Heilsgeschehens wieder glaubwürdig zu machen. Vor allem englische und französische Künstler, aber auch Düsseldorfer Kollegen Gebhardts wählten den von niederländischen Barockmalern im Bereich der Kostüme bereits eingeschlagenen Weg des Orientalismus, und versetzten die Bibelszenen an ihre historischen Schauplätze im Nahen Osten. 32 Damit stießen sie allerdings auf die von Kirchenleuten und Künstlern geteilte Kritik, das biblische Geschehen werde von den Gläubigen entfremdet. 33 Ganz anders ging Gebhardt vor, der Jesus und die Apostel weiterhin in antikisierende Gewänder kleidete – davon zeugen einige unserer Gewandstudien – die meisten Bildfiguren aber spätmittelalterliche und renaissancezeitliche Kostüme tragen ließ. Als „Tradition des eigenen Volkes“ behandelte Gebhardt das Letzte Abendmahl auch durch den Ort des Geschehens, den er als altdeutschen Festsaal mit Vertäfelungen und Girlanden in Renaissance-Formen charakterisierte und somit in der Reformationszeit verortete. Auch weitere Bibelszenen, so die seinerzeit beliebte Auferweckung der Tochter des Jairi (1864) 34 (Abb. 3),

10 Jesus unter den Schriftgelehrten (1894) 35 und die Rückkehr des verlorenen Sohnes (1908) 36 ließ er in altdeutschen Stuben stattfinden, die mit Butzenscheiben und Kachelöfen ausgestattet waren. Diese Ikonographie ging in zahlreiche Luther-Szenen zeitgenössischer Künstler ein 37 und blieb bei Gebhardt nicht auf Bibelthemen beschränkt. In einigen Gemälden evozierte er bis in jedes Detail historisierende, fiktive Szenen der Reformation. Seien es die kritisch über Büchern und Manuskripten reflektierenden Klosterschüler (1882) 38 oder der in Inspirationshaltung schreibende Reformator (Aus der Reformationszeit) (1877) 39, dem seine sorgenvolle Frau mit frommem Gestus beisteht: stets werden diese Imaginationen spannungsreich, stupend realistisch und mit eindrücklicher Präsenz der Figuren geschildert. Prägnant kennzeichnet Gries den Identifikationswert solcher Bilder: „Den nationalen Bestrebungen der Kaiserzeit entsprechend, wurde die Reformation zugleich zum Sinnbild einer deutschen Einigung. Luther, Dürer und Hans Sachs wurden zu Repräsentanten eines gründerzeitlichen, d.h. eines bürgerlich-nationalen Selbstverständnisses stilisiert.“ 40 Im Unterschied zur gängigen LutherIkonographie stellte Gebhardt allerdings namenlose Figuren dar 41; dies korrespondiert den Forschungen von Theologen wie Grüneisen, die weniger prominenten Reformatoren gewidmet waren. 42 Seit dem18. Jahrhundert stand die preußische Historienmalerei, die sich vorwiegend der Verherrlichung der preußischen Expansionskriege und des Herrscherhauses der Hohenzollern widmete, im Dienst der Idee einer preußischen Nation. 43 Mit der Ausdehnung der preußischen Hegemonialherrschaft auf ganz Deutschland entstanden 1871 neue Aufgaben, die aus der Funktion der Kunst im „Kulturstaat“ und der daraus folgenden angenommenen „Staatsfähigkeit der Kunst“ herrührten. 44 Insbesondere der monumentalen Ausmalung öffentlicher Gebäude kam eine 1884: Der preußische Auftrag für Loccum 3 Auferweckung der Tochters des Jairi, 1864, Öl/Leinwand, 71 ✗ 100 cm, lt. Älterer Literatur Kruppsche Sammlung, Essen, Villa Hügel.

11 wichtige Rolle zu, zumal die Künstler in Petitionen immer wieder derartige Aufträge forderten. 45 Unter dem Gesichtspunkt der Inanspruchnahme der Reformation wurde die staatliche Patronage auf kirchliche Bauten ausgedehnt, die mit national bedeutsamen Programmen geschmückt werden sollten. Gebhardts religiöse Wandmalereien standen als Staatsaufträge also in einem Zusammenhang, der auch explizit politische Programme umfasste, wie jenes von Gebhardts Akademiekollegen Peter Janssen für die Fresken im Erfurter Rathaus. 46 Oft als Gebhardts Hauptwerk bezeichnet wurde seine im Zweiten Weltkrieg zerstörte Ausmalung der protestantischen Friedenskirche in Düsseldorf (1897–1907)(Abb. 4). Eine zeitgenössische Kritik belegt, dass dieser Variante der Predigt mit Bildern im katholischen Düsseldorf eine gewisse Brisanz anhaftete 47: „Religiöser Maler konnte v. Gebhardt mit seiner Eigenart eher bleiben als v. Uhde und Ähnlichdenkende; ja, Kloster Loccum, die Friedenskirche in Düsseldorf, manche Werke seiner Schüler, auch katholischer Schüler, wie L. Feldmann u. a., zeigen, daß sie auch der kirchlichen, evangelisch- wie katholisch-kirchlichen Kunst nicht durchaus widerspricht.“ 48 Immerhin fügte Gebhardt in seine vielfältig bevölkerten Szenen stets einige Frauen ein, die heute anhand ihrer mittelalterlichen Trachten und Hauben als Nonnen, auch als evangelische Konventualen erscheinen könnten. In Loccum treten sie vor allem am rechten Rand der Heilung des Gichtbrüchigen prominent im Vordergrund auf. Ob Gebhardt damit die vor- und frühreformatorische Zeit zitieren oder Katholiken erleichtern wollte, sich in seinen figurenreichen Bildern wiederzufinden – solche Deutungsmöglichkeiten treffen auf das ehemalige Zisterzienserkloster Loccum, das um 1600 evangelisch wurde 49 und von der Gründung durch Abt Ekkehard bis auf den heutigen Tag über einen Abt sowie einen inzwischen auch weiblichen Konvent verfügt. Die Idee, den als Porträtmaler geschätzten und mit religiösen Historienbildern hervorgetretenen Gebhardt mit Wandmalereien im westlich von Hannover, in der Nähe des Steinhuder Meeres gelegenen Kloster Loccum zu betrauen, wurde von Richard Schöne im preußischen Kultusministerium und dem Direktor der Nationalgalerie, Max Jordan geboren. 50 Gemeinsam sondierten sie mögliche Projekte für monumentale Malerei und legten sie der Landeskunstkommission vor, die in diesem Fall umstandslos zustimmte. 51 Gebhardt, der schon aus dem Staat4 Ausschnitt der Bergpredigt, Wandmalerei in der Friedenskirche Düsseldorf (zerstört).

12 lichen Fonds für Kunstzwecke finanzierte Altargemälde ausgeführt hatte 52, wurde selbst 1885 in die Kommission berufen und gehörte ihr bis 1911 an. 53 Eine Rolle für die Auswahl Loccums könnte der national konnotierte Denkmalwert des einzigartig erhaltenen Zisterzienserklosters gespielt haben, das der französischen Besatzung widerstanden hatte, da sich die Säkularisierung dank der bereits 1800 erfolgten Umwandlung in ein Predigerseminar abwenden ließ. 54 Zwar zeigte sich anfänglich weder der Maler begeistert, der sich ein derart monumentale Aufgabe nicht zutraute, noch stieß das Unterfangen in Loccum auf spontane Gegenliebe. Auf den ministeriellen Erlass vom 13. Januar 1884 55 reagierte man mit dem Hinweis auf die meditative Ruhe im Kloster, die durch den Umgang mit Künstlern und zu erwartende kunstbeflissene Besucher gestört werde. 56 Wie Gries schreibt, stimmte man unter dem Druck der preußischen Regierung schließlich zu. 57 Nach übereinstimmenden Berichten war es dann Gebhardt, der vor Ort überzeugen konnte und durch theologische Kompetenz sowie Eloquenz beeindruckte. 58 Dadurch fand er Zugang zum Abt Gerhard Uhlhorn, dem bedeutenden Theologen, Kirchenhistoriker und sozial orientierten Kirchenpolitiker 59, mit dem er völlig übereingestimmt haben soll. 60 Falls dies zutrifft, so haben beide trotz Uhlhorns Ablehnung des Kulturkampfs 61 die politischen Implikationen des Auftrags akzeptiert. Mit welcher Ernsthaftigkeit der etablierte Maler die Herausforderung annahm, unterstreicht seine vor Annahme des Loccumer Auftrags unternommene Italienreise. Mit dem Argument, „als Deutscher für Deutsche“ zu malen 62, hatte er italienische Vorbilder bis dato abgelehnt und vor allem altdeutsche und altniederländische Malerei studiert. Für sein großes Verständnis der verbundenen Probleme des Raums und der Farbwirkung spricht, dass er der italienischen Kunst hier mustergültige Lösungen zuerkannte und sich insbesondere an pompejanischen Wandmalereien, Werken der Frührenaissance und den Wandmalereien in Siena und Venedig systematisch fortbildete. 63 Zuerst erprobte er die Anwendung mit einem Dekorationsprogramm für sein privates Bibliothekszimmer, das er gemeinsam mit Adolf Schill ausarbeitete, dem Professor für Perspektive an der Düsseldorfer Akademie. 64 Das Bildprogramm in Loccum, das in Auseinandersetzung mit den räumlichen Gegebenheiten weiterentwickelt wurde, schlug Gebhardt mittels Ölskizzen vor 65 und stimmte es mit Abt Uhlhorn ab. 5 Kloster Loccum, Ansicht ehemaliges Laienrefektorium, heute Gebhardtsaal, um 1950.

13 Über mehreren romanischen Säulen aus der Gründungszeit war der Saal im 13. Jahrhundert als Laienrefektorium gotisch eingewölbt worden, bevor er im 18. Jahrhundert zur Einrichtung der Klosterküche verkleinert wurde. Diese baute man im 19. Jahrhundert zurück, um daraus den von Gebhardt auszumalenden Kollegsaal zu gewinnen (Abb. 5). Seither besitzt der Raum vier Gewölbefelder, deren gemeinsames Widerlager auf einer Mittelsäule ruht. 66 Ursprünglich auf den sechs vollständigen, nur einmal von der Tür eingeschnittenen Bogenfeldern, dann auch unter Einbeziehung der Restflächen der Fensterwand 67, sollten Bibelszenen die wichtigsten seelsorgerischen Aufgaben eines Predigers thematisieren. 68 Daraus ergab sich später die Idee, die Szenen aus dem Leben Jesu an die Bitten aus dem Vaterunser anzuschließen, das auf die biblische Überlieferung der Bergpredigt zurückgeht; diese Texte brachte Gebhardt nachträglich an. 69 Der ersten Bitte „Geheiligt werde Dein Name“ entspricht der Beginn mit Johannes dem Täufer, der im Tür-umgebenden Feld in einer an Altdorfer und Dürer erinnernden, von Zeitgenossen als ‚deutsch‘ bezeichneten Waldlandschaft auftritt. Als hinweisender Wanderer geleitet er seine Anhänger zu Christus, die Wanderstöcke deuten auf die Mühen des Weges. So bereitet eine präzise Studie (Kat.-Nr. 31) die stabhaltende linke Hand Johannes des Täufers und eine rechte Hand vor. 70 Rechts davon in der Bergpredigt sitzt Jesus erhöht in einer offenen Landschaft, deren Charakteristik die Umgebung Loccums aufgenommen hat. Einige unserer Ölskizzen entwerfen Einzelfiguren des kreisförmig um Jesus gruppierten, vielgestaltigen Publikums, die übernommen worden sind, andere studieren Utensilien und Ausdrucksmomente. Das Erstere betrifft die im Profil gesehene, betende Frau ganz rechts (Kat.-Nr. 10), die Rückenfigur einer sitzenden Mutter mit Baby unterhalb von Jesus (Abb. 6, 7), 6 Oben: Ausschnitt aus dem Wandgemälde „Bergpredigt“ im Kloster Loccum. 7 Unten: Studie zur „Bergpredigt“ im Kloster Loccum. Kat.-Nr. 9.

14 und die Halbrückenfigur einer sitzenden Frau weiter links (Kat.-Nr. 7), die in eine atmosphärische Umgebung getaucht ist – die lyrische Stimmung des Gesamtbildes klingt hier an. ImDetail studiert werden die Schuhe eines imVordergrund stehenden mittelalterlichen Soldaten (Kat.-Nr. 22), während mehrere Studien mit Haltung, Gewandung und Gesten des predigenden Jesus sowie den hinter ihm stehenden Aposteln befasst sind. Im Uhrzeigersinn folgt die Fensterwand, auf deren angeschnittenen Feldern Szenen der Kreuzigung Platz finden. Dem Eingang gegenüber befindet sich links die Tempelreinigung (Abb. 8), deren Schauplatz eine breite Freitreppe vor dem Portal einer romanischen Kirche mit antiken Säulen bildet. Während der über die Entweihung des Tempels zornige Jesus eine Peitsche über dem Kopf schwingt, gehen seitlich der treppab stürzenden Händler bereits fromme Bürger aufwärts, um dort wieder zu beten. Neben diesen teils auffällig Renaissance-Moden folgenden Figuren fallen auch einzelne Personen in zeitgenössischer Kleidung des 19. Jahrhunderts ins Auge; eine unserer Kleidungsstudien mit Weste und Gehrock könnte für dieses Bild bestimmt gewesen sein, da in ihr die Schreitbewegung des Geldwechslers angelegt ist (Kat.-Nr. 16). Tatsächlich hat Gebhardt mit einer der Marktfrauen, dem Sparkassenmann und dem seine Kuh bändigenden Fleischer Loccumer Ortsbürger porträtiert 71, im Hintergrund links stehen außerdem mittelalterlich gekleidet Abt Uhlhorn mit dem als „Loccumer Bewusstsein“ bekannten Barett und seine Frau. Auf dieses höchst lebendige Bild folgt rechts der feierliche Ernst der in spätmittelalterlichen und renaissancezeitlichen Formen gehaltenen Hochzeit von Kana (Abb. 14), in deren Zentrum nicht das Weinwunder, sondern die Vermählung eines altdeutschen Paares durch Jesus steht. Ein Seminarist, den Gebhardt ursprünglich als ‚zu schön‘ für seine Bildgestalten ansah, Gottfried Kittel, diente als Modell des Bräutigams und lernte zufällig das Modell der Braut kennen, die aus Estland angereiste Nichte des Malers, wenig später heirateten beide auch real. 72 Auf den letzten beiden, der Fensterwand gegenüberliegenden Bogenfeldern 8 Ausschnitt aus dem Wandgemälde „Tempelreinigung“ im Kloster Loccum.

15 schildert Gebhardt links die Heilung des Gichtbrüchigen in einemmittelalterlichen Fachwerkort inmitten einer Menschenmenge, und rechts in einer komplexen, spannungsreichen Szene im Innern einer Kirche oder Synagoge Jesus und die Ehebrecherin (Abb. 10). Einige Studien bereiten hierfür neben der Figur des aufgesprungenen, sich über die zusammengesunkene Frau Ereifernden (Kat.-Nr. 14), dem im Loccumer Chorgestühl 73 angestrengt lesenden Schriftgelehrten (Kat.-Nr. 18) und der vomBogen teilverdeckten betenden Figur ganz rechts (Kat.-Nr. 21) wichtige Einzelmomente des dramatischen Geschehens vor. Währenddessen erfassen Kopfstudien (Kat.-Nr. 3 und 4) Zeugen des Heilungsgeschehens, weitere Studien erarbeiten Haltung und Ausdruck der zentralen Figur des Kranken. Die beeindruckende Raumwirkung dieser Wandgemälde, deren Perspektiven von Architekturen und Bodenfliesen suggeriert werden, die von den Menschen im Raum als Größenmaßstab ausgehen, lassen Gebhardts Begegnung mit den italienischen Meistern spürbar werden. Wegen Schäden durch Feuchtigkeit und Salpeter, die von der mangelnden Haltbarkeit der gerade erst in Düsseldorf entwickelten Kaseinfarben begünstigt wurden, mussten die ab 1885 auf eigens vorgetragene Putzschichten 74 gemalten Wandfelder bei den Restaurierungen 1958-1960 abgelöst und auf Holztafeln übertragen werden. 75 Zugleich waren starke Retuschen nötig, und die frühere Leuchtkraft der Farben ist verloren. 76 Nicht erhalten werden konnten Gebhardts weitere Malereien auf den Kappen und Gewölbezwickeln. 77 9 Studie zu „Jesus und die Ehebrecherin“ im Kloster Loccum, Kat.-Nr. 11. 10 Ausschnitt aus dem Wandgemälde „Jesus und die Ehebrecherin“ im Kloster Loccum.

16 Einen Aspekt wusste Gebhardt an seiner Ausbildungszeit an der St. Petersburger Akademie (1855– 1857) stets zu würdigen: Wie er in seinem Lebenslauf 78 und in Briefen 79 betonte, lernte man dort das exakte, allerdings naive Zeichnen nach der Natur und fleißiges Arbeiten; seine aus Russland mitgebrachten Akte sollen in der Düsseldorfer Akademie noch viel später als Muster gedient haben. 80 Das von den Nazarenern gelehrte Verfahren, Historienbilder mit Kompositions-, Gewand- und Aktstudien sowie großformatigen Kartons systematisch vorzubereiten, wird in den hier präsentierten Blättern greifbar. Nicht vorhanden sind die Großformate, doch Pastor Wilhelm Uhlhorn, der älteste Sohn des Abtes, berichtet, dass Gebhardt die Wandmalereien von wandgroßen Kartons übertrug. 81 Davor lag die Ausarbeitung der Komposition und der Figuren über mehrere Schritte, die eine große Zahl an Studien erforderten. So erinnert sich Uhlhorn: „Haufen von Skizzen und Studien füllten bald das alte Laienrefektorium.“ 82 Ähnliches begegnete Kittel im Atelier des Künstlers, das er als regelrechtes Chaos beschreibt. 83 Diese Eindrücke bestätigt eine Photographie, die Gebhardt bei der Arbeit an den Kartons für die Düsseldorfer Friedenskirche zeigt (Abb. 11). 84 Es wurden also unzählige Einzelstudien herangezogen, dabei manche Varianten verworfen, andere übernommen und in der Komposition zusammengefügt. In diesem Werkprozess wurden die Entwürfe weiter verändert, wie ein Vergleich der Studie zur vorne links sitzenden Zuhörerin der Bergpredigt (Kat.-Nr. 7) mit der Ausführung beispielhaft zeigt. Im Fall der Porträtköpfe ging es Gebhardt nicht immer um Erkennbarkeit, vielmehr legen unsere Beispiele nahe, dass die Gewinnung von Ausdrucksmitteln im Vordergrund stand. Dabei wecken gerade die zur Ausdrucksmodifikation eingesetzten, die Augen verschattenden Kopfbedeckungen (Kat.-Nr. 1) wohl nicht 11 Gebhardt im Atelier, aus: Die Kunst für alle, Monatshefte für freie und angewandte Kunst, 1908, H. 19, 1. Juli, Photographie. Von der akademischen Studie zur Monumentalmalerei

17 zufällig Assoziationen an Studienköpfe Rembrandts. Kittel, der Gebhardt für eine weitere Arbeit Modell saß, berichtet vom Zustandekommen des vielstimmigen Theaters der Emotionen in den Loccumer Szenen: „Mit Verachtung pflegte er von den Dutzendfabrikaten des Guido Reni zu sprechen. Um der Gefahr der Gleichförmigkeit zu entgehen, (…) machte er sich die unendliche Mannigfaltigkeit des Gesichtsausdrucks lebender Modelle zunutze. Er war jedoch keineswegs auf photographisch genaue Nachbildung des Modells bedacht, sondern hat dasselbe als ein Gefäß behandelt, in welches er etwas von dem Reichtum seines eigenen Innenlebens hineingoß.“ 85 Feinfühlig und treffend beschreibt Gries die verschiedenen Emotionen innerhalb der Loccumer Figurengruppen, 86 die über den jeweiligen Bibeltext hinaus die Reaktionen unterschiedlicher Menschen auf Jesus vor Augen stellen. Diese psychologisierenden Motive sollten das geistige und seelische Geschehen pädagogisch vermitteln. 87 Erahnen lassen die Studienköpfe eines alten Mannes (Kat.-Nr. 2) oder des alten Mannes mit Hut (Kat.-Nr. 1), was die Studie der älteren Frau mit Haube (Kat.-Nr. 4) und die En-face-Studie einer jungen Frau (Kat.-Nr. 5) deutlich zeigen: Dass Gebhardts Interesse keinen eindeutigen, sondern den gemischten und schwer lesbaren Emotionen galt. Darin äußert sich ein grundlegender Respekt vor den Individuen, die nicht auf die passive Rolle austauschbarer Zuschauer reduziert werden. In den Gesichtern dieser Figuren mischen sich Erstaunen, Skepsis, Freude oder auch Erschrecken. Am subtilsten erfasst der Künstler dies an der jungen Frau, deren staunendem Blick eine verschlossene untere Gesichtspartie mit den allmählich sich zum Anflug einer Empfindung lösenden Lippen korrespondiert. Auf diese Weise werden die Figuren zu Zeugen des Wunderbaren, das die Wirklichkeit transformiert, und bewahren bei aller Ergriffenheit dennoch ihre Subjektivität. Womöglich hat Gebhardt diese Wirkung in den Skizzen besser erreicht als bei einigen scharf gezeichneten Köpfen und Figuren der Wandmalerei, die an unbeabsichtigte Komik denken lassen. 88 Die Faszination der Studienköpfe spricht auch aus einer Kritik der Ausstellung der Loccumer Skizzen 1887 in der Nationalgalerie. Nachdem Georg Malkowsky die umstrittene Wahl altdeutscher Kostüme verteidigt hat, beobachtet er die Transformation der Modelle: „Sie [die Kartons] liefern den übergenügenden Nachweis, daß Gebhardt weit entfernt von sklavischer Nachahmung, sich an die modernste Wirklichkeit anlehnt, seine Modelle aufgreift, wo er sie findet, und mit eminenter Gestaltungskraft und tiefem historischem Verständniß in die von ihm gewollte mittelalterliche Sphäre erhebt. (…) Aus einem eckigen Bauerngesicht entwickelt sich ein kluger Pharisäerkopf, die unbedeutenden Züge eines Landmädchen veredeln sich zu dem lieblichen Antlitz der Braut, Ein grundlegender Respekt vor den Individuen

18 und überall ist der individuelle Ausdruck dem historischen Gesichtstypus untergeordnet.“ 89 Damit belegen unsere Studien nicht nur die konsequente Umsetzung des akademischen Verfahrens, das im Naturverständnis der Nazarener wurzelt 90, sondern führen auch in die Genese eigentümlicher Qualitäten der Kunst Gebhardts, der sich immer wieder mit der Kategorie des Wunders 91 befasste. Unter einem weiteren Aspekt gewähren die Skizzen Einblick in den Zusammenhang zwischen der Arbeitsweise des Künstlers und der theologischen Konzeption seiner Bilder. In einer Anzahl von Studien erprobt Gebhardt mithilfe akademischer Modelle die Haltungen, Gesten und bewegten Gewandteile der Jesusfiguren der Bergpredigt (Kat.-Nr. 12 und 13), der Tempelreinigung (Kat.-Nr. 37) und in der Darstellung mit der Ehebrecherin (Abb. 9). Dabei stellt sich eine gewisse Komik ein, wenn das Modell einen zum Christus-Typus kontrastierenden wilhelminischen Bart trägt. Die Vielzahl dieser Studien, auch der antikischen Gewänder und bewegten Gewandteile, belegt, dass Gebhardt durch Auswahl und Verdichtung der Varianten die überzeugende Wirkmacht seiner Figur erzielte. Welche Bedeutung hierbei den Gewändern zukam, teilt Uhlhorn 1913 mit: „Er malte Christus wohl als den Menschensohn, aber doch leuchtet uns aus diesem der Gottessohn entgegen. Nicht stellt er ihn den umgebenden Menschen gleich, sondern schon durch die Gewandung, die keiner Zeit, keinem Volke ausschließlich eignet, hebt er ihn über das Niveau des rein Menschlichen empor.“ 92 Dies gilt graduell auch für die Apostel, die in der Bergpredigt hinter Jesus stehen und antiken Togaträgern ähneln; offenbar sind zwei Ölstudien (Kat.-Nr. 2 und 6) modifiziert in die porträthaften Apostelköpfe eingeflossen. Anders als Malkowksy dies verstand, wollte Gebhardt demnach nicht „den biblischen Mythus wie jedes andere Geschehniß“ 93 behandeln. In seinen programmatischen Sätzen von 1878 hatte er die historische Bibelforschung Renans und anderer als Erklärungsmodell seiner Kunst sogar explizit zurückgewiesen. 94 Damit befand er sich auf einer Linie mit Abt Uhlhorn, der sich 1866 kritisch mit David Strauß, Ernest Renan und Daniel Schenkel auseinandergesetzt hatte. 95 Ohne diese Impulse denkbar scheinen gleichwohl weder Uhlhorns lebensnahe Theologie, noch die dadurch fundierte Volkstümlichkeit Gebhardts, seine in den Loccumer Bildern von den erkennbaren Porträts verdeutlichte Integration von Alltagsmenschen. 96 Allerdings setzte die zeitgenössische Rezeption – unter dem Einfluss von Julius Langbehns rassistischem Langzeitbestseller Rembrandt als Erzieher (1890) – bald andere Akzente. Der Volkskunstforscher Robert Mielke, der Renan undifferenziert ablehnte und dennoch Uhde gegenüber Gebhardt vorzog, deutete 1891 die Orientierung an den Niederlanden und die künstlerische Entdeckung der heimischen Fluren, vor allem aber die Hinwendung zu neuen Bevölkerungsschichten unter nationalpatriotischen Vorzeichen: „Mit Blut und Eisen wurde das Reich gefestigt. (…) Eine neue Zeit braucht neue Typen und Mittel der Darstellung! (…) Bald ist es der regsame Bauer, bald der geschäftige Arbeiter oder

19 der Angehörige eines anderen Standes. Die Kunst wird volkstümlich, und damit wird sie wieder das, was sie zu Zeiten Dürers und Hans Sachs’ dem Volke und der Kultur war.“ 97 Gebhardts Apologet Friedrich Schaarschmidt schrieb 1901, die „Freude an der Darstellung der alltäglichen Wirklichkeit“ sei „vielleicht die nationalste Eigentümlichkeit der deutschen Kunst“. 98 Repräsentierten Gebhardts Figuren diese Wirklichkeit? Zwar bleibt, typisch für die Düsseldorfer Genre- und Historienmalerei 99, das von Mielke mit angesprochene städtische Industrieproletariat ausgeblendet. Insofern war seine Kunst von der sozialdemokratischen Kritik an der sentimentalen Verklärung der Armut, die hauptsächlich auf Uhde zielte, weniger betroffen. Friedrich Gross machte jedoch 1983 geltend, dass der „biblische Realismus“ Uhdes und der „protestantische Realismus“ Gebhardts durchaus die konkrete Wirklichkeit berücksichtigen konnten, und sich beide Spielarten damit für das Leben einfacher Menschen sowie das Los von Armen und Ausgebeuteten öffneten. 100 Ein aufschlussreiches, von Gross erwähntes Lehrstück bildet in diesem Zusammenhang Gebhardts Gemälde Christus und der reiche Jüngling von 1892 101 (Abb. 12), das die Begegnung in einer Scheune stattfinden lässt. An die existenziellen Themen des Lebens erinnert die direkt vor Jesu im Stroh sitzende Frau, die ihr schlafendes Kleinkind auf dem Schoß hält und in unserer Ölskizze mit einem deutlich größeren Kind vorbereitet worden ist (Kat.-Nr. 8). Doch Gebhardts Bekanntheit blieb nicht auf Europa beschränkt. Seine Wahrnehmung in den USA ging der Präsenz seiner Gemälde Das letzte Abendmahl und Christus und der reiche Jüngling bei der Weltausstellung in St. Louis 1904 deutlich voraus. 102 Nachdem die Leinwandfassung der Loccumer Bergpredigt 1898 theologische und ästhetische Würdigung erfahren hatte 103, wurde die 1899 erschienene erste Monographie Gebhardts Sprache der Hände und die Ethik der Berührung 12 Christus und der reiche Jüngling, 1892, Öl/ Holz, 107 × 132,4 cm, Düsseldorf, Museum Kunstpalast.

20 über Gebhardt in amerikanischen Rezensionen begrüßt. Anhand der Abbildungen aus Loccum glaubte der Kritiker David Preyer die besondere Spezialität Gebhardts zu erkennen: „(…) das muss zwingend die Hand sein, und von Gebhardt gelingt es so versiert, fast jede menschliche Empfindung durch die Darstellung von Fingern und Daumen auszudrücken, dass diese Hände leider manchmal die ganze Komposition dominieren und deren Gleichgewicht ernsthaft gefährden.“ 104 Doch Gebhardts Betonung der Hände, mit der er selbstironisch umgehen konnte 105, war keine Marotte: Seine Lehrstücke transportieren über Protestantismus und Christentum hinaus relevante ethische Prinzipien, die von den Worten und Taten Jesu ausgehen. Im Bild vermitteln sich die Bibelworte durch die Sprache seiner Hände, die mit dem Predigtgehalt zugleich das göttliche Eingreifen in das irdische Geschehen veranschaulichen. Umgekehrt sind es betende Hände, die dieses Eingreifen erflehen (Kat.-Nr. 28). Hände schaffen Nähe oder Distanz, können berühren oder verletzen, sie kommunizieren durch eine Vielzahl von Zeichen und sind in selbstverständliche Vorgänge des Abstützens, Festhaltens oder Tragens verwickelt. Einige Handstudien konzentrieren sich auf die letztgenannten Aspekte. So enthält das Musterblatt mit zehn gut ausgearbeiteten rechten und linken Händen (Kat.-Nr. 27) einen Vorrat an Händen aus verschiedenen Perspektiven, die zumeist Gewandzipfel festhalten oder Stäbe umfassen. Dabei findet sich die linke Hand rechts unten, vermittelt über eine Figurenstudie, an der Brotkorbträgerin der Tempelreinigung wieder, andere Hände sind über teils schon erwähnte Einzelstudien für das Stützen auf Wanderstöcke, das Raffen von Gewändern oder das Halten von Fackeln adaptiert worden. In einer Gewandstudie für die Bergpredigt lässt sich zugleich eine Studie von Händen erkennen, die zur Charakterisierung der Apostel als Handwerker auffällig vergrößert wirken (Kat.-Nr. 15); in einer Ölskizze der Braut gewinnt die eingefügte Studie einer linken Hand sogar unheimliches Eigenleben. 106 Die über einem Tuch verschränkten Hände einer Zeichnung (Kat.-Nr. 30) tauchen an den asketischen Gefährten Johannes des Täufers wieder auf, die Bündel vor sich halten. 13 Studie der Braut zur „Hochzeit von Kana“ im Kloster Loccum, Ölskizze. Verbleib unbekannt.

21 Während Gebhardt in seinen Porträts ebenso wie in den religiösen Bildern das lebendige Zusammenspiel von Gestik und Mimik nutzte, um die Dargestellten zu individualisieren, erscheinen viele der Handstudien unspezifisch, tragen kaum Alters- oder Geschlechtermerkmale. Auf einem Studienblatt ist dies anders (Kat.-Nr. 29): fast jede der kräftigen, zweifellos männlichen Hände umgreift einen Steinbrocken, darüber hinaus hat Gebhardt hier muskulöse Unterarme und den Oberkörper einer Figur angedeutet. Denn es sind mörderische Hände, sie gehören der Menschenmenge in Christus und die Ehebrecherin, die bereitsteht, die Frau zu steinigen. Mit seinen Gesten und Worten gelingt es Jesus, die Menschen zu beschwichtigen und zur Einsicht in die eigene Sündhaftigkeit zu bekehren. Jedoch zeigen seine Hände keine Zuwendung zu der in Todesangst zusammengekauerten Frau, die er nicht zu beachten scheint. Völlig zu Recht spricht Gries daher von einem patriarchalischen Bild, in dem auch die Zuhörer, fast nur Männer, über die Betroffene hinweg über die neue Auslegung des Gesetzes diskutieren. 107 Aus Gebhardts lutheranischer Glaubensgewissheit folge dabei, dass die Frau zwar, symbolisiert durch ihr helles Gewand, reuig dargestellt werde, den göttlichen Gnadenakt ihrer Rettung aber nur passiv erwarten könne. 108 – In dieser Szene fundamental abwesend ist eine Ethik der Berührung. Christoph Rehmann-Sutter spricht in diesem Zusammenhang von einem Chiasmus, von der Gleichzeitigkeit des Berührens und des Spürens, die durch die Reziprozität des leiblichen Spürens gekennzeichnet sei. 109 In der ethischen Dimension des Kontaktes zwischen zwei Personen werden demnach vorwiegend zwei Momente wichtig, die in Gebhardts Heilung des Gichtbrüchigen tatsächlich zum Tragen kommen. Erstens geht es um die leibliche Anerkennung des Anderen, die sich im Berühren vollzieht, zweitens um die Beachtung und 14 Ausschnitt aus dem Wandgemälde „Hochzeit von Kana“ im Kloster Loccum.

22 Achtung der Verletzbarkeit des Anderen. 110 Offenbar hat sich Gebhardt über mehrere Versuche dem Kopf und der sich aufrichtenden Haltung des Kranken so genähert, dass dieser in der ausgeführten Version mit Würde aufblicken kann (Kat.-Nr. 19) 111. Der zum Kranken heruntergebeugte Jesus verleiht mit seiner linken Hand über dem Kopf des Kranken schützenden Segen, mit der rechten Hand ergreift er dessen Hand, die ihm spürend und vertrauensvoll entgegengestreckt ist. Auf diese Weise vollzieht sich die Berührung im Kontext reziproker Wahrnehmung, freilich inmitten einer von Schaulust nicht freien Zuschauermenge. Daher war die Studie der knochigen und verkrampften linken Hand des Kranken offenbar bestimmt, die Teilnahme der Bildbetrachtenden an der Anerkennung von Verletzlichkeit sicherzustellen (Kat.-Nr. 20), auch wenn Gebhardt letztlich eine vitalere Hand ausführte. Über die religiöse Sinnebene hinaus kommt dieser Heilungsszene vor Erfahrungshintergründen des Gesundheitsbereichs mögliche Plausibilität zu, können doch unter ethischen Prämissen Berührungen in der klinischen Praxis und in der Care-Arbeit zu Heilungsprozessen bedeutend beitragen. 112 Auch in der Hochzeit von Kana (Abb. 14) deuten Berührungen ein solches empathisches Handeln zumindest an: Während Jesu linke Hand fühlend und anerkennend auf der Schulter des Bräutigams ruht, liegt seine Rechte am Handgelenk desselben, die Hände des Paars hat er auf diese Weise zusammengeführt. In einer Detailstudie, die sich zu Figurenstudien 113 und Ausführung spiegelverkehrt verhält, hat Gebhardt an einer linken Hand die grazile rechte Hand der Braut vorbereitet, die von der Hand des Bräutigams unterhalb des Daumens optisch abgeschnitten wird (Kat.-Nr. 26). Freilich erweist sich auch diese Szene als patriarchal strukturiert, indem Jesu Blickrichtung zwar eher in Richtung der demütig zu Boden blickenden Braut verläuft, seine berührende Zuwendung aber allein dem offen blickenden Bräutigam gilt. Vom Christlichen Kunstblatt in verschiedenen Ausführungen als Trauschein herausgegeben, dürften Reproduktionen der Vermählungsszene große Verbreitung gefunden haben. Bei seinem Brautpaar und den Jesusfiguren blieb der selbst in der monistischen Zeitschrift Kunstwart als Neuerer anerkannte 114 Maler in Kontakt mit der nazarenischen Ästhetik und der älteren Tradition. Dennoch hebt sein Werk die Gleichsetzung von idealer Körperschönheit mit dem Guten und Wahren grundlegend auf. Aus dieser Sicht waren die Handstudien für Gebhardts Realismus unverzichtbar, weil damit Mimik und Gestik als Ausdrucks- und Bedeutungsträger in den Vordergrund rückten. Für den die Welt aus Glaubensgründen hinterfragenden Lutheraner, dem 1905 die theologische Ehrendoktorwürde der Universität Straßburg verliehen wurde 115, besaß die Präsenz Jesu eine Realität, die sich in der Gegenwart nur durch historisierende Erfindungen ins Bild setzen ließ. Damit unterschied er sich von Zeitgenossen, die Realismus als Widerspruch gegen soziale und

politische Realitäten begriffen, wie vor allem Gustave Courbet, dessen Begräbnis in Ornans zwanzig Jahre vor Gebhardts Letztem Abendmahl als skandalös empfunden wurde, auf andere Weise auch Gebhardts Düsseldorfer Kollege Carl Wilhelm Hübner, oder die den Zauber im Labyrinth säkularer Wirklichkeiten entdeckten, wie Adolph Menzel. Neben der Figur einer Frau mit drei Kindern erscheint Gebhardts Selbstbildnis in der Loccumer Bergpredigt als grübelnder, zweifelnder Zuhörer – eine Reflexionsfigur in unseren Zeiten? 1 Zwar ist die geographisch und sprachsystematisch unterschiedlich verwendete, das Estnische insofern sogar ausschließende Kategorie des ‚Baltischen‘ zur Beschreibung der drei Staaten Litauen, Lettland und Estland ungeeignet, wie Tuchtenhagen 2016, S. 7f ausführt. Gebhardt stammte jedoch aus der deutschsprachigen Oberschicht dieser Region, deren Angehörige sich seit Ende des 18. Jhs. als Deutsch-Balten definierten (S. 9). 2 Brief von 1908 an die Familie in Estland, Graubner 1938, Nr. 28, S. 106. Im Spätwerk nahm Gebhardt allerdings einen freieren Pinselduktus an. 3 Woermann 1880, S. 17. Gebhardt wurde am 11.03.1874, Woermann am 14.04.1874 berufen (ebd.). 4 Woermann 1894, S. 159. 5 Siehe Preuß 1925; Spanuth 1925. 6 Während sich Gebhardts Gemälde in München, Leipzig, Dresden, Hannover und Hamburg häufig im Depot befinden, gehört das „Letzte Abendmahl“ von 1870 zur Schausammlung der Alten Nationalgalerie, weitere Werke der Berliner Museen werden online vorbildlich erschlossen. Auch in Düsseldorf und in Tallinn ist Gebhardt in den ständigen Sammlungen vertreten. 7 Bieber/Mai 1979, S. 166. 8 Gries 1995. 9 Zitiert nach M. 1878, S. 2. 10 Öl /Leinwand, 94,5 ✗ 104,7 cm, München, Neue Pinakothek; zur Rezeption dieses Programmbildes in Düsseldorf siehe Ausst.-Kat. Düsseldorf 2011, Bd. 2, S. 94-100; Baumgärtel 2017, S. 169 sieht hier die Versöhnung der „altdeutsch-protestantischen Welt Dürers und der frühitalienisch-katholischen Kunst Raffaels“. 11 Der mit Künstlern und Literaten bekannte Theologe Grüneisen wurde vom württembergischen König Wilhelm zum Hofkaplan ernannt und machte sich u.a. um eine Gesangbuchreform, die Einsetzung von Pfarrgemeinderäten und die Einführung einer Landessynode verdient, siehe Hartmann 1879. 12 Grüneisen 1858. 13 Hinter „M.“ dürfte sich der Stuttgarter Theologe Heinrich Merz verbergen, der Grüneisen als Mitherausgeber des Christlichen Kunstblatts nachfolgte. 14 Abbildung: Ausst.-Kat. Düsseldorf 2011, Bd. 1, S. 244. 15 Abel 2017b, S. 383. 16 Schaarschmidt 1898a, Abb. S. 262. Vgl. die Vorlage der Frau, die in der Loccumer „Heilung des Gichtbrüchigen“ am rechten Bildrand aus dem Fenster schaut: Schaarschmidt 1899, Abb. S. 106. 17 M. 1878, S. 7. 18 Wie Hartmann 1879 geltend macht, entfaltete der Verein für christliche Kunst „reiche Wirksamkeit in Berathung Einzelner, wie der Behörden und Gemeinden“. 19 1870, Öl/Leinwand, 193 ✗ 304,5 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie; zur Rezeption in Russland siehe Levin 2011, S. 243. Anmerkungen

20 Gries 1995, S. 43. 21 Siehe Gries 1995, S. 44f. 22 Weinitz 1887; Mai 1983, S. 436-441. 23 Pfannschmidt 1878, S. 146. 24 Ebd. S. 147. 25 Insbesondere im Christlichen Kunstblatt entwickelte sich „Gebhardt und Uhde“ zum Topos. 26 Brief von 1890 an die Familie in Estland. In: Graubner 1938, Nr. 4, S. 88-90. 27 Gries 1995, S. 12. 28 Zitiert nach Gries 1995, S. 13, Anm. 6. Laut Abel 2017a, S. 36f sind 38 Künstler aus Estland und Livland bekannt, die in Düsseldorf studierten, darunter viele Schüler Gebhardts, und in Estland als „Düsseldorfer Malerschule“ firmieren; meist führte ihr Ausbildungsweg, so wie jener von Gebhardt und des Landschaftsmalers Eugène Dücker (1841-1916), über St. Petersburg in die westeuropäischen Kunstzentren. Zur Nachfolge Gebhardts bei seinen Düsseldorfer Schülern und in Estland, welche die Aussage im AKL widerlegt, er sei nicht schulbildend gewesen, siehe Ausst.-Kat. Tallinn 2017 passim. 29 Vgl. Hedinger 1981, bes. S. 287; Hardtwig 1981, bes. S. 63. 30 Baumgärtel 2017, S. 164 sieht die Krise früher angelegt: „Schon um 1800 war von protestantischen Künstlern wie Philipp Otto Runge und Caspar David Friedrich das ‚Ende aller Religionen‘ und damit das Ende der traditionellen religiösen Malerei eingeläutet worden.“. 31 Uhlhorn 1903, S. 178 erwähnt in diesem Zusammenhang u.a. den Rückgang des Theologiestudiums und die Abnahme kirchlich geschlossener Ehen ab 1873. 32 Mai 1980, S. 119. 33 Gebhardt wurde 1925 aus der Kölnischen Zeitung zitiert: „Wir haben gar kein Bild von dem Aussehen der Menschen in Palästina zur Zeit Christi. Alle religiöse Darstellungen sind von Italien abgeleitete, typische, aber ganz willkürlich erfundene Formen. Eine Modernisierung in der Art Uhdes widerstrebt meinem Empfinden, ebenso wie die Manier gewisser Franzosen, die Christusgeschichte in einem arabischen Gewand darzustellen. Aber die Reformation ist für mich die große Erneuerung des Christentums (…).“ Zitiert nach Abel 2017b, S. 381f. 34 Öl /Leinwand, 71 ✗ 100 cm, Privatsammlung. 35 Öl /Leinwand, 68 ✗ 108 cm, Düsseldorf, Museum Kunstpalast (Ölskizze). Die endgültige Fassung gilt als verschollen. 36 Talllinn, Galerie Rios (Ölskizze). Endgültige Fassung: Gries 1995, Katalog A241. 37 Ausst.-Kat. 1983, S. 93, Taf. 21, S. 291, Abb. 2, S. 510-514. 38 Öl /Leinwand, 79,7 ✗ 109 cm, Hamburger Kunsthalle. 39 Leipzig, Museum der bildenden Künste. 40 Gries 1995, S. 23-24. 41 Laut Rosenberg 1899, S. 51 dachte Gebhardt beim Gemälde „Johann Müller Regiomontanus und Bernhard Walther bei der Erklärung des Pendels“, 1874, Öl /Leinwand, 64 ✗ 63 cm, Privatbesitz (Gries 1995, Kat. A55) tatsächlich an diese Personen. Überzeugend vergleichen Bieber/Mai 1979, S. 172 mit Gelehrtenporträts von Quentin Massys. 42 Hartmann 1879. 43 Specht 2010, S. 88-95. 44 Scheuner 1981, bes. S. 26-31; Springer 1986, S. 183. 45 With 1986, S. 21. 46 Bieber 1981, bes. S. 350: Obwohl die Themen des Bildprogramms von geschichtskundigen Erfurter Bürgern bestimmt wurden, gestaltete Janssen den Zyklus im Sinne der preußisch-nationalen Geschichtsauffassung. 47 Vgl. Abel 2017b, S. 378. Demzufolge stellte schon der Bau der Friedenskirche im katholischen Düsseldorf eine preußische Machtdemonstration dar. 48 Bone 1907, S. 201. 49 Hirschler 1977, S. 11, spricht von einem allmählichen Übergang; der Klosterflyer 2022 nennt als Beginn 1593. 50 Zur Kooperation und engen Freundschaft von Jordan und Schöne siehe With 1986, bes. S. 57. 51 Gries 1995, S. 87f. 52 Übersicht 1885, S. 24f, 29; Gebhardt gehörte jedoch nicht zu den in Fn.1 genannten 39 erfolgreichsten Künstlern, die neben führenden Nazarenern u.a. auch Adolph Menzel umfasst. 53 With 1986, S. 71f. 54 Knoop 1913, S. 351; Berneburg 1980a, S. 85-87. 55 Archiv Kloster Loccum, zitiert bei Gries 1995, S. 88. 56 Schreiben von Abt Uhlhorn vom 17.3.1884, Archiv Kloster Loccum, zitiert bei Gries 1995, S. 91, Anm. 25. 57 Gries 1995, S. 92. 58 Uhlhorn 1913, S. 355f; Kittel 1930, S. 9f. 59 Otto 2016; Berneburg 1980b, bes. S. 110. 60 Mai 1980, S. 123 spricht von einer Wahlverwandtschaft. 61 Uhlhorn 1903, S. 177f. Schaarschmidt 1899, S. 111 setzt Gebhardts „national-deutsche“ Auffassung des Protestantismus der katholischen Kirche entgegen, vgl. auch unten Anm. 85. 62 Schaarschmidt 1899, S. 110 zitiert den Künstler: „Noch nie hat ein Mensch es zustande gebracht in der Form der orientalischen Bilder ein andächtiges Bild zu malen, warum verlangt man denn das von mir? Malen wir denn nicht als Deutsche für Deutsche?“. 63 „Seit der Zeit male ich ein Bild nie anders als mit der Wand zusammen, auf der es hängen soll. Das zwingt mich, die Einheitlichkeit des Farbenaccordes einzuhalten.“ Zitiert nach Schaarschmidt 1898b, S. 230. Weitere Äußerungen zum Raum bei Mai 1980, S.122; zu Entdeckung der Farbe in Italien siehe Gries 1995, S. 89-91.

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