Ein bleibender Eindruck Ludwig Richter als Lehrer
Ein bleibender Eindruck Ludwig Richter als Lehrer
„Ludwig Richter und seinen Schülern wird man nicht gerecht, wenn man in ihnen nur die Protagonisten einer altväterlich–naiven Auffassung von Wirklichkeit im Bild sieht, die ein idyllisches Gesellschaftsbild vermitteln. Der scharfe Blick, eine umfassende geistige Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Literatur und Kunst, ein kritisches Urteilsvermögen und eine präzise Beobachtungsgabe zeichneten Richter aus, Eigenschaften, die er auch von seinen Schülern einforderte.“ Reinhard Wegner 2020 1
Der Lehrer Ludwig Richter und seine Schüler Ludwig Richter ist seit 1840 der erste Leiter eines neu begründeten akademischen Ateliers für Landschaftsmalerei in der sächsischen Haupt- und Residenzstadt Dresden gewesen. Im darauffolgenden Jahr 1841 wurde er zum Professor für Landschaftsmalerei an der Königlich Sächsischen Akademie der Bildenden Künste ernannt. Angesichts des längst verbreiteten Ruhmes von Dresden als Hauptort der romantischen Landschaftsmalerei im 19. Jahrhundert mag dieser späte Zeitpunkt erstaunen. Doch die Verzögerung einer größeren Ausstrahlung der Landschaftsmalerei unmittelbar von der Akademie aus, deren wesentliche Ursachen in der organisatorischen Verfassung der Lehranstalt einerseits und andererseits in der akademiefernen Haltung romantischer Kunst per se begründet lagen, muss bei der Betrachtung der Dresdener Entwicklung immer berücksichtigt werden. Caspar David Friedrich und Johan Christian Dahl, die beiden Protagonisten der frühromantischen Landschaftsmalerei in Dresden, waren 1824 lediglich zu außerordentlichen Professoren ernannt worden und unterrichteten 3
4 etwaige Schüler nicht an der Akademie selbst, sondern nur in ihren privaten Ateliers. Die beiden befreundeten Maler, die seit 1823 im selben Haus an der Elbe lebten, haben sich zeitweise auch in ihrer Kunst gegenseitig inspiriert. Doch vor allem gingen sie – „in wechselseitiger Anerkennung ihr Werk fördernd“ 2 – je eigene künstlerische Wege, wobei beide Meister von den Zeitgenossen durchaus gemeinsam, aber gewissermaßen als zwei Seiten einer Medaille, wahrgenommen wurden. So hieß es 1822 in einer Ausstellungsbesprechung: „Unser poetischer Friedrich steht dem Wahrheitskünstler Dahl gegenüber.“ 3 Und ein Jahr später schrieb ein Rezensent: „In der Composition ihrer Landschaften wetteifern auf verschiedenemWege Friedrich und Dahl. Ist jener genial als Idealist, so ist es dieser als Naturalist.“ 4 Das Haus An der Elbe 33 / Abb. 1 /, in dem beide Meister wohnten und arbeiteten, wurde zum eigentlichen Zentrum der romantischen Landschaftsmalerei in Dresden. Friedrichs Ausstrahlung als Lehrer war sicherlich ein Sonderfall, ebenso wie seine Kunst überhaupt. Schüler im engeren Sinne hatte er nur sehr wenige, doch wirkte er über seine unvergleichlichen Werke auf eine jüngere Künstlergeneration ein. Dahl hingegen zog durch seinen nachdrücklichen Zugriff auf das Naturvorbild, der als vollkommen neuartig empfunden wurde, viele Schüler an. Sie kamen sogar aus seiner skandinavischen Heimat nach Dresden, doch auch Carl Blechen aus Berlin hat bei dem norwegischen Wahldresdener nach Anregung im Malerischen gesucht. Die von Dahl und seinen Schülern unmittelbar nach der Natur ausgeführten freien malerischen Studien scheinen bisweilen sehr entschieden über die Zeit hinauszuweisen, doch hat der Meister, der die Anregung dafür gab, sie nicht als eigenständige Kunstwerke angesehen, sondern als notwendiges Material für eine größere Überzeugungskraft seiner naturnahen Landschaftsgemälde. An der Kunstakademie selbst gab es noch bis Ende der 1830er Jahre keinen Unterricht in der Malerei, und deshalb auch keine Ausbildung in der Landschaftsmalerei. Lediglich im Landschaftszeichnen wurden Übungen abgehalten. Die Akademielehre bestand im Wesentlichen aus einer dreigestuften Zeichenausbildung, die in drei aufeinanderfolgenden Klassen erteilt wurde. Die Schüler begannen mit dem Zeichnen nach Vorlageblättern im Zeichensaal, dann rückten sie in die zweite Klasse, den Gipssaal, auf, in dem das Zeichnen nach Abgüssen antiker Werke im Mittelpunkt stand. Abgeschlossen wurde die Lehre schließlich in der dritten oder obersten Klasse, wo dem Aktzeichnen sowie Gewand- und Figurenstudien die besondere Aufmerksamkeit galt. Wenn die Eleven diese drei Klassen erfolgreich absolviert hatten, mussten sie sich selbst über ihr weiteres Ausbildungsziel im Klaren werden. Einzelunterricht in der Malerei konnten sie im Privatatelier eines jener Meister erhalten, die von der Akademie dafür vorgesehen und bestätigt waren. Neben Friedrich und Dahl gehörte dazu auch der 1751 geborene Dresdener Landschaftsmaler Johann Christian Klengel, 5 der allerdings bereits 1824 starb. Wesentliche Veränderungen an der Dresdener Akademie erfolgten in den 1830er Jahren erst dann, als die Kunst der Romantik, die in Dresden zu besonderer Blüte gelangt war, ihren Höhepunkt bereits überschritten hatte und die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen sich schon neueren Kunstrichtungen wie insbesondere der Düsseldorfer Schule zuwandte, die auch in Dresden zunehmend an Geltung
5 gewann. Carl Gustav Carus, königlicher Leibarzt, Universalgelehrter und Künstler eigentlich nur im Nebenberuf, allerdings schon von den Zeitgenossen als dritter Hauptmeister romantischer Malerei in Dresden angesehen, suchte den neuen Entwicklungen Rechnung zu tragen, indem er 1836 als Vorsitzender des Sächsischen Kunstvereins eine Gastausstellung Düsseldorfer Malerei in Dresden organisierte, die das Beschreiten neuer Wege anregen sollte. Es wurden auch Landschaftsbilder gezeigt, doch vor allem waren es die großen Historienbilder, die als modern (im Wortsinn also: Der Zeit gemäß) gewürdigt wurden. Carus selbst kam 1837 in einer ausführlichen Besprechung dieser Ausstellung zu dem Schluss, dass eine Landschaftsmalerei, die den Forderungen der Zeit genügen müsse, „an Tiefe und Bedeutung gewinnen“ soll, „welche sie würdig macht der historischen Malerei vollkommen gegenübergestellt zu werden.“ 6 Im selben Jahr schuf Ludwig Richter sein malerisches Hauptwerk Die Überfahrt am Schreckenstein / Abb. 2 /. Die Düsseldorfer Ausstellung an der Jahreswende 1836/37 führte kurz darauf zu den Berufungen der Historienmaler Eduard Bendemann und Julius Hübner an die Dresdener Akademie, denen noch weitere Künstler vom Rhein an die Elbe folgten, so dass es zur ebenso erwünschten wie für die Kunstakademie und die Gemäldegalerie in der sächsischen Kunsthauptstadt folgenreichen Filialbildung Düsseldorfer Provenienz in Dresden kam. Kurz zuvor hatte Ludwig Richter nach langen Jahren des Wartens seine Anstellung bei der Dresdener Kunstakademie erhalten, so dass in der Landschaftsmalerei ein sächsischer und an der heimischen Kunstschule ausgebildeter Kandidat Berücksichtigung fand. Das lag auch daran, dass Richter schon seit 1828 im sächsischen Staatsdienst gestanden hatte, und nach Auflösung der Meißner Zeichenschule Ende 1835 den Anspruch auf eine entsprechende Weiterbeschäftigung besaß. 1836 ist Richter zum Lehrer für Tier- und Landschaftsmalerei an der Kunstakademie berufen worden und im Mai 1840 wurde er zum 1 Reinhard Wegner: Poesie der Linie. Franz Albert Venus & Victor Paul Mohn in Rom, Frankfurt am Main 2020, S. 59. – Der Austausch mit dem Autor des Buches, dem auch für freundliche Hinweise sehr zu danken ist, hat mit seinen Publikationen für die Abfassung des vorliegenden Beitrages wichtige Anregungen gegeben und neue Wege bei der Bearbeitung des Themas aufgezeigt. 2 Carl August Böttiger in: Artistisches Notizenblatt 1825, Nr. 23, S. 93. 3 Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode 1822, Nr. 129, S. 1042. 4 Literarisches Conversations-Blatt 1823, Nr. 242, S. 965. 5 Anke Fröhlich: „Glücklich gewählte Natur …“. Der Dresdner Landschaftsmaler Johann Christian Klengel (1751–1824), Hildesheim, Zürich, New York 2005, S. 16. 6 Carl Gustav Carus in: Kunst-Blatt. Beiblatt zum Morgenblatt für gebildete Stände 31.1837, S. 118. Abb. 1 Das Haus An der Elbe 33 in Dresden, seit 1823 gemeinsamer Wohn- und Arbeitsort von Caspar David Friedrich und Johan Christian Dahl (zerstört 1945)
6 Vorstand des neuen Ateliers für Landschaftsmalerei ernannt. Der Ausgangspunkt der Richter-Schule in Dresden ist somit in eine Zeit einzuordnen, da am Ort bereits andere Kunstströmungen aus den deutschen Ländern Erfolge verzeichneten, und diese gegenüber den Anforderungen von Gegenwart und Zukunft zudem als zeitgemäßer angesehen wurden. Ludwig Richter hat eine Landschaftsdarstellung ohne inhaltliches Anliegen, oder anders gesagt den Entwurf eines Gemäldes ohne gedankliches Konzept, stets abgelehnt. So heißt es in seinen Aufzeichnungen um 1840: „Aufgabe des Landschaftsmalers ist: Ein seelenvolles Eingehen in die hohen Schönheiten der Natur, und Handhabung der Mittel, die gehalte äußrer und innerer Anschauung darzustellen.“ 7 Schon 1830 hatte der junge Maler im Anschluss an Friedrich Schlegel als generelle Zielstellung für sich klar festgelegt: „Das Bedeutende ist überhaupt aller Zweck der höhern Malerey, und muß es auch in der Landschaftmalerey seyn; denn ohne diesem bleibt ihr nichts übrig, als die gemeine Nachahmung des Wirklichen, und die Ueberwindung der Schwierigkeiten dabei wird dann ihr ganzes Verdienst seyn.“ 8 Richter ist seiner Grundüberzeugung immer treu geblieben, und so schrieb er noch 35 Jahre später an seinen Schüler Carl Wilhelm Müller (1839–1904), der sich an neueren malerischen Positionen zu orientieren begann: „Lassen Sie sich nur ja nicht – etwa in München – zu der bloß dekorativen Auffassung und Behandlungsart, die jetzt in der Landschaftsmalerei eingerissen ist, verlocken. Die Natur will mit Liebe, mit einem feinen und reinen Sinn erfasst seyn, dem bloßen geschickten Techniker erschließt sie sich nimmer.“ 9 Wenige Monate später schrieb der Richter-Schüler Albert Venus (1842–1871) an den befreundeten Kommilitonen Müller: „Hüte Dich, lieber Carl, davor, etwas nur um der bloßen Effekthascherei willen zu malen. Verlaß Dich auf Deine Empfindung der Natur gegenüber, auf Deine treuen Augen und laß Dich nicht durch gesuchte Poesie hinreißen, den eigenen C. W. Müller zu verleugnen. Ich gebe gern zu, daß einen die große Produktivität und Malgeschicklichkeit der Münchner zeitweilig irre führen kann […].“ 10 Bei der Beurteilung solch kritischer Einwände gegen die Malerei in anderen Kunstzentren muss demzufolge immer die Art der Vorbehalte berücksichtigt werden, wenn man nicht nur zu pauschalen Urteilen gelangen will. Die auf gedankliche Fundierung zielende Haltung Richters brachte ihn rasch in Konflikt mit der unmittelbar wirklichkeitsorientierten Naturauffassung, wie sie von Dahl und seiner Schule in Dresden vertreten wurde. Als Johan Christian Dahl in die Elbestadt kam, war der Akademiestudent Richter 1819 zuerst noch begeistert gewesen von der „schlagenden Naturwahrheit“ 11 in den großartigen Gemälden des norwegischen Landschaftsmalers. Doch ein Jahrzehnt später beklagte er sich 1829 in einem Brief an den Freund Carl Gustav Boerner über die inzwischen eingetretene Situation in Dresden: „Was das Landschaftsfach betrifft, so schreit man nur Dahl und Dahl! – und wer nicht so mahlt wie dieser, ist anathema!“ 12 (das heißt also ausgegrenzt). Anlass für diese Äußerung war Richters Ärger über die geringe Beachtung der Bilder seines Freundes Ernst Ferdinand Oehme (1797–1855), der zwar Dahls Schüler gewesen war, aber Richters eigenen künstlerischen Auffassungen doch viel näherstand, weil bei ihm „die geordnete Erscheinung der Landschaft Spiegelung einer Weltordnung ist.“ 13
7 Für Richter war ein sehr persönlich gelebter und mit großer Ernsthaftigkeit empfundener christlicher Glaube der zentrale Ausgangspunkt für jenes „Bedeutende“, das seinen Landschaftsbildern zugrunde liegen sollte. Im August 1828 hatte er in seinen Tagebuchniederschriften das klare Bestreben formuliert: „die Kunst oder vielmehr die Landschaftmahlerey mit meinen innern Leben, mit dem Christenthum in Uebereinstimmung zu bringen […].“ 14 Gangbare Wege dafür konnte ihm etwa das Auffinden „symbolischer Bilder in der Natur“ 15 weisen. Die simple Wiedergabe gesehener Landschaftsansichten, so pittoresk sie auch sein mochten, erfüllte den hohen Anspruch jedenfalls nicht, so dass Richter in seinen Aufzeichnungen kurz und bündig zusammenfasste: „Landschaften, wenn sie nichts weiter als eine schöne Gegend aus der Natur, aus irgend einen fremden Lande, oder eine merkwürdige Gegend des Vaterlands darstellen (also prospektartige Gegenden) gehöhren eigentlich nicht unter die Kunstwerke, sondern nehmen den Rang einer Reisebeschreibung ein.“ 16 Während seiner italienischen Studienjahre 1823 bis 1826, in denen Richter zum Maler erst wirklich herangewachsen ist, hatte er sich bereits eingehend mit den grundsätzlichen Absichten seiner Kunst auseinandergesetzt und programmatische Ziele für die zu schaffenden Werke formuliert. In den Meißner Jahren setzte er diese gedankliche Auseinandersetzung mit großer Intensität fort, wovon die Tagebuchaufzeichnungen des Künstlers eindrucksvoll Zeugnis ablegen. Dass Richter auch in seiner Unterrichtstätigkeit von diesen Überlegungen ausging, darf man sicher annehmen. Überblickt man aus heutiger Sicht die lange Wirkungszeit des Künstlers als akademischer Lehrer, die von 1828 bis 1875 andauerte, also fast ein halbes Jahrhundert umfasste, dann fallen einige Besonderheiten ins Auge. In den Meißner Jahren 1828 bis 1836, in denen Richter einen großen Teil seines malerischen Œuvres geschaffen hat, ist er lediglich als Zeichenlehrer tätig gewesen. Seit er aber 1840 in Dresden das akademische Atelier für Landschaftsmalerei leitete, ist er 7 Ludwig Richter: Gedanken und Lesefrüchte, SLUB Dresden, Handschriftensammlung, Bl. 59 b. 8 Ludwig Richter: Bilderentwürfe. Meißen 1830, Stadtarchiv Dresden, Bl. 26 a. 9 Ludwig Richter am 1. Oktober 1865 an Carl Wilhelm Müller, zit. nach Karl Josef Friedrich: Ludwig Richter und sein Schülerkreis, Leipzig 1956, S. 112. 10 Albert Venus Anfang Januar 1866 an Carl Wilhelm Müller (Entwurf), zit. nach Adrian Lukas Müller: Briefe eines zu früh Verstorbenen. Ein Leben in der Nähe Ludwig Richters. Briefe von Albert Venus, Dresden 1932, unveröffentlichtes Manuskript, S. 49–50. – Für den Hinweis danke ich Claudia M. Müller, Dresden, die das lange verschollene Manuskript imArchiv des Ortsvereins Loschwitz-Wachwitz e.V. entdeckte. 11 Ludwig Richter: Lebenserinnerungen eines deutschen Malers, hrsg. v. Max Lehrs, Berlin 1922, S. 64. 12 Ludwig Richter am 27. April 1829 an Carl Gustav Boerner, SLUB Dresden, Handschriftensammlung. 13 Helmut Börsch-Supan: Die deutsche Malerei von Anton Graff bis Hans von Marées 1760–1870, München 1988, S. 73. 14 Ludwig Richter: Tagebucheintrag vom 10. August 1828, Stadtarchiv Dresden. 15 Ludwig Richter: Bilderentwürfe. Meißen 1830, Stadtarchiv Dresden, Bl. 23 b. 16 Ludwig Richter: Bilderentwürfe. Meißen 1830, Stadtarchiv Dresden, Bl. 26 a. – Auf den Zusammenhang dieser Äußerungen mit Friedrich Schlegels Schrift „Ansichten und Ideen von der christlichen Kunst“, die Richter schon seit 1823 kannte, kann hier nur hingewiesen werden. Abb. 2 Ludwig Richter: Die Überfahrt am Schreckenstein, 1837, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Albertinum, Galerie Neue Meister
8 als Maler selbst immer weniger hervorgetreten, sondern hat sich als Zeichner vor allem für den Holzschnitt einen eigenen Ruf erarbeitet. Diese gleichsam gegenläufige Entwicklung in der eigenen Kunstpraxis und der akademischen Lehrtätigkeit bedeutete offenbar keine Einschränkung für den Lehrer im Verhältnis zu seinen Schülern. Ohnehin blieb die Zeichnung stets jenes konstituierende Element, auf dessen Grundlage sich die individuelle Charakteristik der Kunst Ludwig Richters entwickelt hat. So ist es nur eine logische Konsequenz, wenn die Vermittlung und Einübung von exzellenten zeichnerischen Fähigkeiten zu den herausragenden Merkmalen der Richter-Schule zählten. Eine zweite wesentliche Voraussetzung, die Richter seinen Schülern stets zu vermitteln suchte, war die Notwendigkeit zu einer intensiven und immer wieder zu erneuernden Wahrnehmung der Natur, ohne die Richter eine wahrhaftige Kunst schlechterdings für unmöglich hielt. Das gab auch für jene Schüler eine solide Ausgangsbasis, die später auf viel mehr subjektiv bestimmten Wegen die unmittelbare Transformation von Natureindrücken in Malerei erprobten. Dass Richters Lehrmethode nicht unbedingt mit der üblichen Stufenfolge der Akademieausbildung übereinging, die das kopierende Zeichnen nach Vorlagen zur Grundlage nahm, schilderte Fedor Flinzer (1832–1911), ein Schüler seines Landschaftsklassenunterrichts: „Er hatte seine den Anordnungen der Akademie völlig entgegengesetzte eigene Meinung: Erst als ich ihm durch mein Skizzenbuch den Nachweis gab, daß ich mich schon lange mühte, das Zeichnen nach der Natur selbst zu erlernen, ließ er mich in demWinterunterrichte zu.“ 17 RichtersWirkungskreis als Lehrer ist über die Jahrzehnte erstaunlich groß gewesen. Karl Josef Friedrich hat bereits 1956 in seiner grundlegenden Publikation Ludwig Richter und sein Schülerkreis 39 Atelierschüler sowie 23 Schüler aus der Landschaftsklasse an der Dresdener Akademie aufgeführt und diese mit biographischen Skizzen namhaft gemacht. 18 Rechnet man die Zeichenschüler aus Richters Meißner Jahren und die zahlreichen Eleven der Dresdener Landschaftszeichenklasse hinzu, dann darf man von einigen Hundert Schülern ausgehen, die durch Richters Unterricht gegangen sind. Seine Korrektur in der ersten Klasse der allgemeinen Zeichenausbildung an der Akademie, die Richter in den ersten Jahren seiner Dresdener Tätigkeit alternierend mit den anderen Lehrern oblag, ist dabei noch gar nicht mitgerechnet. Der Begriff „Richter-Schüler“ lässt sich demnach ebenso weit fassen wie er inhaltlich unscharf ist in jener Bedeutung des Wortes, die eine unmittelbare Einwirkung des Lehrers auf die Erscheinungsform der Schüler-Werke zu beschreiben sucht. 19 Mancher Maler, von dem bestimmte Arbeiten der Kunst Richters augenscheinlich sehr nahe stehen, ist niemals sein Schüler gewesen. Ein gutes Beispiel dafür ist Julius Fiebiger (1813–1883), der 1847 einen Schreckenstein bei abziehendem Gewitter 20 malte, der ohne das Vorbild Richters gar nicht denkbar ist. Andere wiederum waren als Schüler jahrelang eng verbunden mit dem Meister, dem sie auch später noch mit verehrungsvoller Freundschaft begegneten, doch beschritten sie nach Verlassen des Ateliers rasch eigene Wege bei der individuellen Ausbildung ihrer Kunsttalente. Das betraf vor allem jene Künstler, die sich im Anschluss an die Lehre im Richterschen Landschaftsatelier nach München oder Düsseldorf wandten, um dort die neuesten malerischen Tendenzen der Zeit zu studieren. Doch ist die Ausbildung bei Richter in Dresden und ein anschließendes oder zwischenzeitliches Studium andernorts keineswegs als Widerspruch zu betrachten, und ebenso wenig als ein bewusst beabsichtigter Bruch mit dem Lehrer.
27 Düsseldorf, dass seine Malerei auch „einen guten Einfluss von hiesiger Richtung“ aufnehmen könne. Er hatte in Düsseldorf Werke eines Schülers von Oswald Achenbach gesehen, die ihm „in Bezug auf freieste Naturbeobachtung, strenger Durchbildung der Lokalfarben und einer wirklich prachtvollen Zeichnung ganz unvergleichlich schienen.“ 86 An Poesie mangele es zwar, so Schuster, diesen Bildern, doch erwartete er dennoch die billigende Zustimmung des „Herrn Professor“, „wenn ich mir diese Art technische Vollendung zum Muster nehmen will.“ 87 Schuster bedauerte es, dem Meister in Dresden kein wirklich zufriedenstellendes Bild von sich selbst vorstellen zu können, und hieran schloss sich seine Bemerkung an: „Ich glaube, es würde mir auch leichter, ein sogenanntes gutgemachtes Bild zu Stande zu bringen, wenn ich es einmal mit dem Recept der werthen jetzigen jüngeren Maler versuchen wollte und nichts weiter erreichen wollen als gute Farbe und Technik und dazu brauchen jene nach ihrer Meinung vor allen nur eine gute Naturstudie, an der man nichts ändern darf, ohne zu verlieren!“ 88 In diesem „Recept“ wird bereits die Grenze zwischen ausgeführtem Bild und selbstständiger Studie beschrieben, und wo diese Grenzlinie überschritten ist, so dass die reine Naturstudie ohne jede Bindung an inhaltliche Absicht, also nur um ihrer selbst willen, zur eigenständigen Aufgabe des Malers wird, dort ist wohl auch das Ende der Richter-Schule erreicht. Keiner der Schüler des Dresdener Meisters ist diesen Weg konsequent weitergegangen. In Dresden war es der ehemalige Dahl-Schüler Christian Friedrich Gille (1805–1899), der schon in den 1830er Jahren, und dann entschiedener noch seit der Jahrhundertmitte, in Hunderten von Ölstudien diese Autonomie der Studie vorangetrieben hat und in jahrzehntelanger Übung seines malerischen Sehens immer neue Formen der unmittelbaren Transformation optischer Eindrücke hervorzubringen vermochte. Gerd Spitzer 83 Hans Mirtschin: Die Königliche Akademie der bildenden Künste nach der Reform von 1836, in: Dresden. Von der Königlichen Kunstakademie zur Hochschule für Bildende Künste, Dresden 1990, S. 131–170, Zitat S. 164. 84 Zit. nach Friedrich 1956, wie Anm. 9, S. 82. 85 Ludwig Richter am 8. August 1875 an Rudolf Schuster, Stadtarchiv Dresden. 86 Bei dem von Schuster erwähnten „noch sehr jungen Künstler“ handelte es sich um den Deutschbalten Gregor von Bochmann (1850–1930), der 1869 bei Oswald Achenbach studiert hatte und inzwischen als selbständiger Maler in Düsseldorf lebte. – Zu anderen Schülern der beiden Achenbachs, die 1866 bzw. 1868 in Italien mit Paul Mohn und Albert Venus in Verbindung gestanden haben, siehe Wegner 2020, wie Anm. 1, S. 77. 87 Ludwig Richter am 8. August 1875 an Rudolf Schuster, Stadtarchiv Dresden. 88 Ebd.
Den kompletten Text von Dr. Gerd Spitzer finden Sie in der gedruckten Version des Kataloges, erhältlich in unserem Shop
Katalog
Nach der Mitte des 19. Jahrhunderts war der berühmte Künstler, hochverehrte Akademieprofessor und außerordentlich geschätzte Lehrer Ludwig Richter zu einer anerkannten Institution im Dresdener Kunst- und Kulturleben geworden. Dies wird auch in den Richter-Bildnissen der Zeit zunehmend erkennbar. Am wenigsten tritt der repräsentative Gestus wohl noch in der Bildniszeichnung des Richter-Schülers Ottokar Renger (1850–1876) hervor (Kat. Nº 1), dessen Porträtstudie bald nach dem Eintritt in das Atelier des Meisters entstand und den verständnisvollen Mentor und einfühlsamen Lehrer vor Augen führt. Eine besonders originelle Form für die Präsentation des Künstlerbildnisses fand 1876 der Holzschneider Moritz Klinkicht (1845–1932) (Kat. Nº 2), zu einer Zeit also, da das Porträt Richters auch im neuen Medium der Photographie verstärkt Verbreitung fand. Die Graphik imaginiert eine photographische Reproduktion, die mit Reißzwecken auf eine Unterlage geheftet zu sein scheint. Damit wird die Berühmtheit des Künstlers und die gebührend große Verbreitung seines Abbildes in doppelter Weise nahegelegt. Der Bildnismaler Leon Pohle (1841–1908), seit 1877 Professor an der Dresdener Kunstakademie, hat dann 1879 und 1880 mit zwei repräsentativen großen Ölgemälden das gültige Richter-Bild der Spätzeit entscheidend geprägt, welches den Dresdener Künstler als einen der führenden deutschen Meister des 19. Jahrhunderts in das Gedächtnis der Nation eingehen ließ. Das Kniestück von 1879, das den Künstler am Tisch sitzend darstellt (heute im Museum der bildenden Künste Leipzig), errang bei seiner Ausstellung in Berlin großen Erfolg, und durch die Radierung von Ernst Mohn (1835–1912), entstanden nach einer Photographie des Gemäldes, fand die Bildnisdarstellung zudem als Jahresgabe für den Sächsischen Kunstverein weite Verbreitung (Kat. Nº 3). Der Direktor der Berliner Nationalgalerie Max Jordan bestellte daraufhin ein weiteres Porträt bei Leon Pohle, um „das authentische Bildnis des hochverehrten Mannes [...] der meiner Leitung anvertrauten nationalen Kunstanstalt“ einfügen zu können. Photographien dieses Bildnisses (Abb. 10), das Ludwig Richter als vielseitig schaffenden Künstler vor einer aufgespannten Leinwand zeigt (wobei dies nur eine Erinnerung an längst vergangene Zeiten malerischen Wirkens war), hat Richter offenbar auch früheren Schülern gewidmet, wie die Unterschrift auf einem der Abzüge erweist (Kat. Nº 4). Vom Nachruhm Richters erzählt dann schon das Modell zum Dresdener Ludwig-Richter-Denkmal von Eugen Kircheisen (1855–1913) (Kat. Nº 5). Der Originalguss ist 1943 eingeschmolzen worden, doch nimmt inzwischen eine Rekonstruktion den Platz auf der Brühlschen Terrasse ein. Ludwig Richter ist also aus dem Bild der Elbestadt nicht wegzudenken und ebenso hat sein Werk den wechselnden Fragen der Zeit bis heute noch immer standgehalten. Gerd Spitzer Bildnisse des Lehrers Ludwig Richter
Nº 1 Weiß gehöhter Bleistift auf Papier. Verso von fremder Hand bezeichnet: „Bildnis Ludwig Richter 1869“. 23,1 ✗ 17,3 cm Ottokar Renger (1850 Dresden 1876) Porträt des Lehrers Ludwig Richter, um 1869
Nº 2 Moritz Klinkicht (1845 Neustadt, Sachsen – Freiburg 1932) Porträt Ludwig Richter (Probedruck) Holzschnitt auf Japanpapier. Unten links im Druck signiert: „M. Klinkicht“. 41,0 ✗ 31,7 cm
Nº 3 Radierung auf Papier, aufgewalzt auf Papier. Oben rechts datiert: „1879“. Unten im Druck bezeichnet: „L. Pohle gem. / O. Felsing gedr. / E. Mohn rad. / Bildniss L. Richters.“. 35,6 ✗ 26,8 cm Ernst Mohn (1835 Dresden – Leipzig 1912) nach Leon Pohle (1841 Leipzig – Dresden 1908) Bildnis Ludwig Richter, nach 1879
Nº 4 Nach Leon Pohle (1841 Leipzig – Dresden 1908) Bildnis Ludwig Richter Sepia-Fotografie auf Albuminpapier, aufgezogen auf Karton. Auf dem Karton eigenhändige Widmung Ludwig Richters: „Ludwig Richter / Herrn Hugo Körber / zur freundlichen Erinnerung an seinen alten Lehrer u. Freund / L.R.“. 38,1 ✗ 30,6 cm
Nº 5 Sepia-Fotografie auf Albuminpapier, aufgezogen auf Karton. 27 ✗ 21,8 cm Unbekannter Fotograf Gipsmodell des Ludwig Richter-Denkmals von Eugen Victor Kircheisen, um 1897
Nº 6 Gesellschaft für vervielfältigende Kunst, Wien Jubiläumsalbum Ludwig Richter, 1883 Radierung und Heliogravüre auf Chinapapier, aufgewalzt auf Papier, Original-Umschlag Papier. Unten mittig datiert: „1883“. Auf dem Titel in Tusche bezeichnet und datiert: „Hans[?] Bonn 1933“. Auf dem Titelblatt bezeichnet: „Adrian Ludwig Richter zum achtzigsten Geburtstage. Ein Lebensbild von J. E. Wessely, Abdruck aus der Zeitschrift Die graphischen Künste, Gesellschaft für vervielfältigende Kunst, Wien 1883“. 40,0 ✗ 30,5 cm
Ludwig Richter (1803 Dresden 1884) Künstler zu werden mutet fast wie eine junge Familientradition an, wenn man die Herkunft Ludwig Richters betrachtet. Der Großvater Heinrich Carl Richter und der Vater Carl August Richter waren Kupferstecher, letzterer sogar als Professor an der Akademie zu Dresden. Als Ludwig Richter also, fünfzehnjährig, die Schule verließ und beim Vater in die Lehre ging, schienen die Weichen gestellt. Von 1816 bis 1818 besuchte er die Dresdner Kunstakademie, wo er insbesondere im Zeichnen und Radieren unterrichtet wurde. Seit 1814 stellte er auf den Akademieausstellungen aus und profilierte sich durch die Zusammenarbeit mit dem Vater an einer Serie von Ansichten Dresdens. Als Begleitung des russischen Fürsten Narischkin bereiste Richter 1820 bis 1821 Deutschland und Frankreich und ließ sich danach in Dresden nieder. Prägende Eindrücke für sein gesamtes späteres Leben sammelte er während einer Italienreise in den Jahren 1823 bis 1826, wo er sich als junger Künstler vollends entfalten konnte. Er nahm an Kompositionsabenden bei Julius Schnorr von Carolsfeld teil und machte unter anderem Bekanntschaft mit Carl Peschel, Joseph Anton Koch und Wilhelm von Kügelgen. Sein erstes großes Gemälde, das sogleich breite Anerkennung fand, schuf er im Jahr 1824: Der Watzmann. Nach seiner Italienreise trat er ab 1828 eine Stelle als Zeichenlehrer an der Porzellanmanufaktur in Meißen an. In den 1830er-Jahren unternahm er im Auftrag des Leipziger Verlegers Georg Wigand zahlreiche Studienreisen und schuf in den Landschaften des Harz, Frankens, Böhmens und des Riesengebirges druckgraphische Veduten der Regionen mit ihren charakteristischen Naturdenkmalen. Erst 1836, nach langen Jahren ungeduldigen Werbens, erhielt er die von ihm angestrebte Anstellung an der Kunstakademie zu Dresden und löste damit den eigenen Vater als Professor für Landschaftszeichnung ab. Im Jahre 1840 begründete er das akademische Atelier für Landschaftsmalerei, für das er 1841 eigene Räume anmietete. Im selben Jahr wurde er zum Professor für Landschaftsmalerei ernannt. Seine Schüler unterrichtete er sowohl im Atelier als auch bei zahlreichen Studienausflügen. Eigene Werke in Öl schuf Richter nach seinem 1837 entstandenen Hauptwerk Überfahrt am Schreckenstein kaum noch. 1853 ernannte ihn die Dresdner Akademie zum Mitglied des Akademischen Rates. Im Alter litt der Maler an einem zunehmenden Augenleiden, weshalb er seit 1869 nicht mehr an der Akademie unterrichtete und ab 1875 die Leitung des Ateliers an seinen Schüler Viktor Paul Mohn übergab. Als gelegentlicher Besucher und Mentor besuchte er die Klasse aber auch nach seinem Übertritt in den Ruhestand und ließ die Schüler an seiner Erfahrung teilhaben. Parallel arbeitete Richter an seiner Autobiographie Lebenserinnerungen eines deutschen Malers, die ein Jahr nach seinem Tode veröffentlicht wurde. Ludwig Richter verstarb am 19. Juni 1884 in Dresden. BO
Mädchen auf einem Felsvorsprung bei Potschappel, Dresden, um 1830 Aquarell über Federzeichnung auf Papier. Oben rechts eigenhändig bezeichnet: „bei Potschappel 22er Juny“. 14,4 ✗ 22,4 cm Ludwig Richter Nº 7
Nº 8 Ansicht von Olevano Bleistift auf Papier. Unten links eigenhändig bezeichnet: „Olevano“. 20,9 ✗ 27,3 cm Ludwig Richter
Nº 9 Bleistift auf Papier. Verso Sammlerstempel Werner Strähnz. Leipzig (Lugt Nr. 4643). 32,2 ✗ 40,9 cm Ludwig Richter Blick auf Olevano vom Norden
Nº 10 Römische Campagna Bleistift auf Papier. Verso: Landschaftsdarstellung mit Figuren. 20,8 ✗ 17,2 cm Ludwig Richter
Nº 11 Lavierte Federzeichnung über Bleistift auf Papier. Oben eigenhändig bezeichnet: „Beiss‘ mal ab Willmchen!“. 16,5 ✗ 8,4 cm Ludwig Richter Beiss mal ab Willmchen!
Nº 12 Hl. Veronika mit dem Schweißtuch Christi Bleistift auf Papier. Vorlage für den Holzstich von Schmidt. Werkverzeichnis: Hoff/Budde 1922, Nr. 1364. 7,0 ✗ 9,2 cm Ludwig Richter
Nº 13 Bleistift auf Papier. Unten rechts monogrammiert: „LR“. 5,8 ✗ 5,3 cm Ludwig Richter Rübezahl mit Veit in der Schatzhöhle
Nº 14 Tanne im Loschwitzer Grund, 1853 Bleistift auf Papier. Unten rechts datiert: „Loschwitz d. 13 ten August / 1853“. 31,6 ✗ 20,8 cm Ludwig Richter
Nº 15 Radierung auf Chinapapier, aufgewalzt auf Papier. Unten im Druck signiert: „L. Richter Inv. u. Sculp.“. Im Druck bezeichnet: „Genoveva / Der Saechsische Kunstverein seinen Mitgliedern für das Jahr 1848“. Papier: 49,5 ✗ 32,8 cm, Druckplatte: 41,7 ✗ 25,0 cm, Darstellung: 31,6 ✗ 17,8 cm Ludwig Richter Genoveva von Brabant im Walde, 1848
Nº 16 Mariechen und Heinemännel, 1831 Radierung auf Papier. Unten links im Druck signiert: „L. Richter“. Im Druck bezeichnet und datiert: „Meiner lieben Frau gewidmet / Mariechen und Heinemännel d 15 Nov 1831.“. Werkverzeichnis: Hoff/Budde 1922, Nr. 204. Papier: 14,4 ✗ 17,2 cm, Druckplatte: 8,0 ✗ 10,7 cm Ludwig Richter
Nº 17 Handkolorierte Radierung auf Papier, montiert auf Papier. Werkverzeichnis: Hoff/Budde 1922, Nr. 77. Papier: 16,8 ✗ 20,8 cm, Druckplatte: 11,6 ✗ 17,3 cm, Darstellung: 10,4 ✗ 15,5 cm Ludwig Richter Freiberg. Stadtvedute, 1820
Nº 18 Malerische Ansichten aus den Umgebungen von Salzburg, Mappe, 1830 Radierung auf Papier, Original-Papierumschlag. Jedes Blatt unten links monogrammiert (ligiert): „LR“. Auf dem Titelblatt bezeichnet: „Radirungen von Ludwig Richter. I. Heft. VI Bll. Malerische Ansichten aus den Umgebungen von Salzburg. Leipzig: Verlag von C. G. Börner.“. Werkverzeichnis: Hoff/Budde 1922, Nr. 193–198. Unten links Blindstempel Carl Gustav Börner. Leipzig (Lugt Nr. 5724). 23,1 ✗ 29,1 cm Ludwig Richter
Nº 19 Malerische Ansichten aus den Umgebungen von Rom, Mappe, 1832 Radierung auf Papier, Original-Papierumschlag. Im Druck signiert: [Blatt 4 ohne Signatur sonst wie folgt] „L. Richter“, „Ludw. Richter“, „Ludw. Richter fec.“ oder „LR“. Auf dem Titelblatt bezeichnet: „Radirungen von Ludwig Richter. II. Heft. VI Bll. Malerische Ansichten aus den Umgebungen von Rom. Leipzig: Verlag von C. G. Börner“. Werkverzeichnis: Hoff/Budde 1922, Nr. 210–215. Unten links Blindstempel Carl Gustav Börner. Leipzig (Lugt Nr. 5724). 23,0 ✗ 29,1 cm Ludwig Richter
Nº 20 Zehn Ansichten merkwürdiger Gegenden in Sachsen, Mappe, 1839 Radierung auf Papier, Original-Papierumschlag. Monogrammiert (ligiert): [Blatt 7] „AR“, [Blatt 8] „R“. Auf dem Titelblatt bezeichnet: „Zehn Ansichten merkwürdiger Gegenden in Sachsen, aufgenommen und radirt von Ludwig Richter. Ernst Arnold‘s Kunsthandlung (A. Gutbier) Dresden“. Werkverzeichnis: Hoff/Budde 1922, Nr. 249–258. 21,3 ✗ 28,5 cm Ludwig Richter
Nº 21 Ferdinand Berthold (1800 Meißen – Dresden 1838) und Ludwig Richter Die Anbetung der Hirten, 1837 Radierung auf Papier. Unten links monogrammiert (ligiert): „FB“. Im Druck bezeichnet: „Den Kindern meiner lieben Freunde zumWeihnachtsfeste 1837“, verso von fremder Hand bezeichnet: „aus Thaeters Nachlass“. Werkverzeichnis: Hoff/Budde 1922, Nr. 248. Papier: 36,5 ✗ 29,7 cm, Druckplatte: 28,9 ✗ 22,6 cm, Darstellung: 27,1 ✗ 19,7 cm Ludwig Richter
Nº 22 Radierung auf Chinapapier, aufgewalzt auf Papier. Unten im Druck signiert und datiert: „18 HB 75 / Ludwig Richter“. Unten im Druck bezeichnet: „Gez. v. Ludwig Richter. / Gest. v. Bürkner. / Zum Empfange. / Das Original im Besitze S. kais. Hoheit des Herrn Erzherzogs Carl Ludwig.“. Papier: 31,8 ✗ 36,9 cm, Druckplatte: 24,0 ✗ 30,6 cm, Darstellung: 17,0 ✗ 23,3 cm Ludwig Richter Hugo Bürkner (1818 Dessau – Dresden 1897) nach Ludwig Richter Zum Empfange. Grußkarte, 1875
Nº 23 Ludwig Friedrich (1827 Dresden – Friedrichstadt 1916) nach Ludwig Richter An der Teufelsmauer im Harz, 1872 Radierung auf Papier. Unten im Druck signiert: „Gem. v. L. Richter / Rad. v. L. Friedrich“. Unten im Druck bezeichnet: „An der Teufelsmauer im Harz“. Werkverzeichnis: Hoff/Budde 1922, Nr. 2992. Papier: 28,0 ✗ 34,6 cm, Druckplatte: 24,0 ✗ 31,0 cm, Darstellung: 16,5 ✗ 24,5 cm Ludwig Richter
Nº 24 Holzstich über Tongrund auf Papier. Unten im Druck signiert: „LR / J. Roloffs sc.“. Im Druck bezeichnet: „Kunst bringt Gunst / Gezeichnet von L. Richter / Geschnitten von J. Roloffs“. Werkverzeichnis: Hoff/Budde 1922, Nr. 641. 30,6 ✗ 37,8 cm, Darstellung: 19,6 ✗ 26,9 cm Ludwig Richter Joseph Roloffs (1833 Düsseldorf 1899) nach Ludwig Richter Kunst bringt Gunst. Puppenspieler am Dorfrand, 1857
Nº 25 Theodor Langer (1819 Leipzig – Dresden 1895) nach Ludwig Richter Illustration zu „Haderlump“, um 1850 Radierung auf Papier. Abdruck vor der Schrift. Werkverzeichnis: Hoff/Budde 1922, Nr. 3163. Papier: 19,0 ✗ 12,0 cm, Druckplatte: 17,8 ✗ 10,9 cm Ludwig Richter
Nº 26 Radierung auf Papier. Unten im Druck signiert: „Lud. Richter. / J. L. Raab sc.“. Unten mittig im Druck bezeichnet: „Jörjakob“. Werkverzeichnis: Hoff/Budde 1922, Nr. 3199. 17,6 ✗ 10,9 cm Ludwig Richter Johann Leonhard Raab (1825 Schwaningen – München 1899) nach Ludwig Richter Jörjakob, Lesender Mann in Stube, 1860
Richters Schüler
Im Kindesalter besuchte Emil Bollmann mit seiner älteren Schwester den Hofmaler von Anhalt-Bernburg, Wilhelm von Kügelgen, in Ballenstedt, der den Jungen in seinem Vorhaben, Maler zu werden, unterstützte. Im Alter von 17 Jahren verfolgte Bollmann dieses Ziel, indem er 1842 nach Dresden zog und in die Kunstakademie eintrat. Er besuchte zunächst die Unterklasse, widmete sich dem Zeichnen menschlicher Körper nach Vorlagen und nahm an Ludwig Richters Landschaftsunterricht teil, in dessen Atelier er um 1845 eintrat. Richter unternahm mit seinen Schülern wöchentliche Ausflüge ins Dresdner Umland, auf denen Bollmann zahlreiche Naturstudien und Landschaftszeichnungen schuf. Zu seinem Studienkollegen Ludwig Friedrich unterhielt er eine besondere Freundschaft. Von dieser Verbindung zeugt eine stimmungsvolle Porträtzeichnung (Kat. Nº 28), die Bollmann von seinem Freund anfertigte. Die Zeichnung zeigt Friedrich als Brustbild mit Querbinder und Jacke. Sein Kopf ist leicht zur Seite geneigt und sein Blick entzieht sich dem Betrachter. Kontemplativ schaut er mit leicht gesenktem Kopf zum rechten Bildrand. Bollmann legte großenWert auf die Ausarbeitung der ebenmäßigen Gesichtszüge seines Freundes. Mittels feiner Schraffuren um Augen- und Wangenpartie fängt Bollmann den beinahe melancholischen Ausdruck des Porträtierten ein. Haar und Kleidung sind hingegen weniger detailliert ausgearbeitet und verbleiben umrisshaft, wodurch Friedrichs Mimik in den Fokus rückt. Aus Bollmanns Aufzeichnungen geht hervor, dass er sich von den Fähigkeiten seiner Kommilitonen abgehängt sah. Auszeichnungen der Akademie, wie die kleine und große Silbermedaille, für seine Werke widersprechen diesem Eindruck jedoch. In einer Äußerung Bollmanns über sein „Bestreben […], ein gediegener Landschaftsmaler zu werden“, kommt seine Intention zum Ausdruck, „bei dem allgemein bewunderten Meister auch die Staffage gut zu erlernen – wie denn Richter den richtigen Grundsatz aussprach und in seinen Bildern zu so herrlicher Wirkung brachte.“ Aus finanziellen Gründen ließ Bollmann 1850 Dresden und die Malerei hinter sich, um in München als Lithograph zu arbeiten, wodurch er enge Kontakte zu Julius Thaeter knüpfte. Gemäß Bollmanns Aufzeichnungen zeigte sich Richter über diese Entscheidung enttäuscht: „Ich bekam von ihm den Vorwurf zu hören, daß ich nicht bei der Malerei geblieben sei, meine Rechtfertigung wurde kurz abgewiesen, und so mußte ich mich denn aufs tiefste verletzt und entfremdet fühlen.“ Nichtsdestoweniger blieb Bollmann seinem Lehrer verbunden und bedankte sich bei Richter in seinen handgeschriebenen Memoiren. CN Emil Bollmann (1825 Altstaßfurt – Quedlinburg 1892)
Nº 27 Bleistift auf Transparentpapier, aufgezogen auf Papier. Unten links monogrammiert und datiert: „EB 48“. Unten rechts eigenhändig bezeichnet: „Agnesia Brommer“. 12,3 ✗ 8,8 cm Emil Bollmann Porträt der Agnesia Brommer, 1848
Nº 28 Porträt des Kupferstechers Ludwig Friedrich Weiß gehöhter Bleistift auf Papier. Unten mittig eigenhändig bezeichnet: „Louis Friedrich / Kupferstecher in Dresden“. 16,5 ✗ 14,5 cm Emil Bollmann
Wilhelm Ludwig Heinrich Claudius, der Sohn eines Holzschneiders und Urgroßneffe des deutschen Dichters Matthias Claudius (1740–1815) war ein Maler in der Nachfolge Ludwig Richters. Vom Richterschüler Paul Mohn unterrichtet, stellte sich Claudius in seinem Schaffen in die Tradition des bekannten Malers. Bereits als Kind begleitete den aufstrebenden Künstler die Bechsteiner Märchenfibel mit den Illustrationen seines berühmten Vorbilds Ludwig Richter. Sein Einfluss äußert sich auch in der hier vorliegenden Federzeichnung (Kat. Nº 29), die von einer Begegnung in einem urigen Wald erzählt. Ein Jäger mit Hirschfänger stellt sich einem Mädchen mit Korb entgegen, vielleicht handelt es sich gar um eine Szene aus Schneewittchen. Die Blätter der Pflanzen am Waldweg sind detailliert und mit viel Schattenspiel ausgeführt. Wie Ludwig Richter schuf auch Claudius eine Vielzahl von Märchenillustrationen, die jedoch im Unterschied zu denen seines Mentors wirklichkeitsschärfer und derber ausfallen. Nach seinem Studium an der Dresdner Akademie (1871–1872) und der Akademie Berlin (1875–1879) bei Karl Gussow illustrierte er in den ersten Jahren viele Bücher, insbesondere Kinderbücher. Es mangelte Claudius nicht an Aufträgen und er erzielte beachtliche Einnahmen. Auch die berühmte Sammlung der Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm wurde von ihm bebildert. Ende des 19. Jahrhunderts gehörte Claudius zu den gefragtesten Illustratoren. Über fünftausend Graphiken für Bücher und Zeitschriften soll er geschaffen haben. Claudius lebte von 1879 bis zu seinem Tod in Dresden. Von dort unternahm er ausgedehnte Reisen nach Norddeutschland. Im Jahr 1885 wurde er Mitglied der Willingshäuser Malerkolonie sowie der Künstlerkolonie Goppeln, die sich der Freilichtmalerei verschrieben hatte. In seinen norddeutschen Landschaftsbildern wie auch seinen sommerlichen Blumenstücken lässt sich die atmosphärische Aufladung, die für den Stil der Goppelner Landschaftsschule charakteristisch ist, wahrnehmen. Dieser stimmungsvolle Eindruck ist ebenso in den behaglichen Interieurszenen norddeutscher Gutshöfe spürbar, aus deren Fenstern man meist auf prächtig blühende Gärten im Sonnenlicht schaut. Neben Porträtaufträgen malte er 1911 Erzgebirgslandschaften als Wandbilder für das Rathaus von Talheim in Baden-Württemberg. Sein Schaffen wurde mehrfach ausgezeichnet. ImJahr 1903 erhielt er den Professorentitel und 1909 ehrte man ihn mit der Goldenen Medaille für das Gemälde Böhmische Musikanten. AT Wilhelm Claudius (1854 Altona – Dresden 1942)
Nº 29 Lavierte Federzeichnung auf Papier. 34,2 ✗ 26,9 cm Wilhelm Ludwig Heinrich Claudius Mädchen und Jäger, Begegnung im Walde
Nº 30 Zwei Damen im Salon, 1889 Bleistift auf Papier. Unten mittig datiert: „9 Dez 89.“. 27,0 ✗ 20,0 cm Wilhelm Ludwig Heinrich Claudius
Nº 31 Bleistift auf Papier. Unten rechts datiert: „17 Jan. 92.“. 28,7 ✗ 22,0 cm Wilhelm Ludwig Heinrich Claudius Zwei Damen und ein Herr in Abendgarderobe, 1892
Alfred Diethe kann als Dresdner ‚Urgestein‘ bezeichnet werden. Er wurde als jüngster Sohn einer kinderreichen Familie geboren, die fest in der Stadt Dresden verwurzelt war. Zu seinen Vorfahren zählten Lehrer und Kantoren, seine älteren Brüder waren als Pfarrer, Kaufleute oder Handwerker tätig. Als Junge sang Alfred Diethe im Chor der Neustädter Dreikönigskirche und besuchte, dadurch privilegiert, die Neustädter Realschule. Eigentlich sollte er den Beruf des Vaters übernehmen und Tischler werden, jedoch durfte er der Neigung folgen und sich 1851 an der Kunstakademie einschreiben. Er besuchte die Klassen von Ernst Rietschel, Eduard Bendemann und Julius Hübner, und nahm an den samstagabendlichen Kursen Ludwig Richters teil. Die ersten Werke Diethes, die er erfolgreich verkaufte, folgten dem nazarenischen Stil seines Lehrers Hübner und thematisierten religiöse Motive. Ein Werk zu einem mythologischen Thema, Theseus und Ariadne, sicherte ihm 1861 den ersten Preis eines Wettbewerbes. Seine überlieferten Rechnungsbücher vermitteln einen Eindruck des Erfolges, den der junge Maler durch religiöse Bilder und das Malen von Porträts privater Auftraggeber genoss. Das Reisestipendium der Dresdner Akademie ermöglichte ihm vom März des Jahres 1865 bis zum Jahresende des Folgejahres einen ausgiebigen Aufenthalt in Italien, wo er auf Richters Spuren Reisen ins Albaner- und Sabinergebirge unternahm. Dabei bewegte er sich vor allem im Kreis anderer Richter-Schüler, wie Viktor Paul Mohn, Albert Venus, Carl Wilhelm Müller und Woldemar Rau. So belebend und prägend die Reise für Diethe auch gewesen sein mag, es sollte die einzige ihrer Art bleiben. Nach 1866 blieb er in Dresden und schmückte zahlreiche Kirchen der Gegend mit Altarbildern, Wand- und Glasmalereien. Aber auch profane Auftraggeber wünschten sich die Ausmalung von Schlössern, Schulen und öffentlichen Gebäuden mit historischen Szenen von Alfred Diethe. Ab 1876 unterrichtete er an der Dresdner Kunstgewerbeschule, ab 1880 für den Frauenerwerbsverein und ab 1885 war er Professor für figürliches Zeichnen an der Kunstakademie. Die Zeichenklasse mit Dame in Tracht (Kat. Nº 32) zeigt einen schlaglichtartigen Blick auf seine späte Tätigkeit. Wie als neutraler Beobachter zeichnet er einen voll besetzten Raummit Herren, die allesamt in eine Mal- oder Zeichenarbeit vertieft sind. Etwas verwundert dreinschauend bildet eine junge Frau in Tracht, offenbar das Modell des Kurses, den Mittelpunkt der Versammlung. Möglich auch, dass es sich um einen Abend des Dresdner Aquarellierklubs handelt, der sich regelmäßig zum gemeinsamen Arbeiten traf. Das Modell wurde dabei abwechselnd von den Teilnehmern ausgesucht und gestellt. Gut möglich, dass Diethe in dieser Szene als Lehrer oder in einer kurzen Pause die Gelegenheit nutzte, um die konzentrierte Atmosphäre in dieser Zeichnung festzuhalten. BO Alfred Richard Diethe (1836 Dresden 1919)
Nº 32 Bleistift auf Papier. Verso von fremder Hand bezeichnet: „aus dem Nachlass des Künstlers!“. 26,5 ✗ 34,3 cm Alfred Richard Diethe Zeichenklasse mit Dame in Tracht
Heinrich Dreber besuchte zwischen 1836 und 1841 die Dresdner Akademie und wurde 1840 Richters erster Atelierschüler. Ein einmonatiger Ausflug führte ihn 1839 nach Böhmen und in die Gegend um Aussig. Zeichenexkursionen in das Dresdner Umland 1840 und Franken (1841/42) folgten. Nach einem kurzen Aufenthalt in München im Herbst 1842 bei Julius Schnorr von Carolsfeld kehrte er nach Dresden zurück, um sich dort abermals an der Akademie einzuschreiben. Mit einem Erbe seiner Urgroßmutter von ca. 2.000 Talern reiste Dreber 1843 nach Italien und bezog eine Dachwohnung in der Via Felice in Rom. Im Sommer 1844 arbeitete er erstmals in der Gegend von Olevano, im darauffolgenden Jahr im Albanergebirge. Ab etwa 1847 zeichnete er seine Studien vornehmlich mit Bleistift. Zahlreiche Zeichnungen stammen aus der Gegend von Cervara, Olevano und Subiaco, überdies malte er bei Olevano im Freien. Mit der Landschaft mit dem barmherzigen Samariter entstand nach dem Gang zur Quelle (1846) sein zweites großformatiges Bild. Die Zeichnung von einer Landschaft vor der Porta del Popolo bei Rom (Kat. Nº 35) fällt in die Zeit um 1850, als Arnold Böcklin in Rom eintraf, den Dreber in Olevano bald kennenlernte. Dieses Treffen mündete in der Folgezeit in einer intensiven Zusammenarbeit der beiden Künstler. 1851, im Geburtsjahr des Sohnes Fortunato, arbeiteten Dreber und Böcklin in Albano und zeichneten gemeinsam am Nemisee. Im Jahr 1852 reiste er mit Böcklin, dem Dichterfürsten Paul Heyse und anderen Teilnehmern ins Tal der Egeria. Seine Frau Aloysia Vignoli starb 1854 an der Cholera, an der auch er schwer erkrankte. Im Herbst 1855 hielt sich der Künstler kurz in Deutschland auf. Um diese Zeit entstanden auch erste Arbeiten mit mythologischen Themen. Dreber konzentrierte sich zunehmend auf die Malerei und zeichnete vom Ende des Jahrzehnts an kaum noch nach der Natur. Aus jener Zeit rührt auch das Gemälde Der Sänger und sein Publikum (Kat. Nº 33). Bei einem Aufenthalt in Olevano begegnete er 1859 Friedrich Preller d.Ä. und dessen Sohn Friedrich Preller d.J. Im Jahr 1864 machte Dreber die Bekanntschaft mit Graf Adolf Friedrich von Schack und lernte Richard Schöne, den Autor der ersten Dreber-Monographie, in Rom kennen. 1867 führte ihn eine Reise nach Neapel, Caserta und Ischia. Zwei Jahre später heiratete er seine ehemalige Schülerin Faustina Orioli und unternahm im selben Jahr eine kurze Reise nach Assisi und Perugia. 1874 wurde Dreber zum Mitglied der Accademia di San Luca in Rom ernannt und hielt sich in Anticoli und Olevano auf. Am 3. August 1875 starb Dreber in Anticoli di Campagna (heute Fiuggi) und wurde am 6. August in Rom auf dem protestantischen Friedhof beigesetzt. SFS Heinrich Dreber (1822 Dresden – Anticoli di Campagna, heute: Fiuggi 1875)
Nº 33 Öl auf Leinwand. Unten links eigenhändig unkenntlich bezeichnet. 63,5 ✗ 87,7 cm Heinrich Dreber Der Sänger und sein Publikum, um 1858
Nº 34 Italienische Landschaft, um 1860 Weiß gehöhter Bleistift auf braunem Papier. Unten rechts Nachlassstempel Heinrich Dreber (Lugt Nr. 693a). 30,0 ✗ 42,7 cm Heinrich Dreber
Nº 35 Weiß gehöhter Bleistift auf grauem Papier. Unten rechts signiert: „Dreber“ und mit Farbangaben versehen. 20,5 ✗ 31,7 cm Heinrich Dreber Landschaft vor der Porta del Popolo bei Rom, um 1850
Der aus Gera stammende Robert Erbe ist besonders als Tiermaler und Silhouettenschneider bekannt. Wohl schon als Junge hatte er sich mit der Darstellung von Tieren in Zeichnungen und Scherenschnitten beschäftigt. Die beiden vorliegenden Aquarelle zeigen indes Landschafts- und Naturausschnitte ohne Staffage. Die Sorgfalt und Treffsicherheit in der Wiedergabe der Naturdetails belegen den tiefen Eindruck, den die Arbeit des Lehrers Richter bei dem jungen Künstler hinterließ, auch wenn seine Teilnahme an Richters Landschaftsklasse nur von kurzer Dauer war. Um 1867 besuchte er insgesamt etwas über ein Jahr die Dresdner Akademie und während dieser Zeit auch einige Monate Richters Unterricht in der Mittelklasse. Neben einheimischen Wild-, Haus- und Nutztieren bildete er immer wieder auch exotische Tiere ab, die er 1861 im neueröffneten Zoologischen Garten in Dresden sehen konnte. Die Darstellungen von Vögeln bilden eine besonders große Gruppe im Œuvre Erbes, die er vor allem in Aquarellen und Zeichnungen festhielt. Nach seinen Bildern entstandene Holzschnitte finden sich in der von Julius Lohmeyer zwischen 1873 und 1885 in Leipzig herausgegebenen Zeitschrift Deutsche Jugend. Illustrirte Monatshefte. Seine bei einem Buchbinder in Dresden zu erwerbenden Scherenschnitte sicherten Erbe ein kleines Einkommen. Er starb mit 59 Jahren in seinemWohnhaus in Oberlößnitz (heute ein Ortsteil von Radebeul). SFS Robert Erbe (1844 Gera – Oberlößnitz 1903)
Nº 36 Aquarell über Bleistift auf Papier. Unten rechts datiert: „Achenthal [?] Juli 18[?]“. Verso Sammlerstempel: Erhard Kaps (Lugt Nr. 3549), Dr. Rainer Kaps (Lugt Nr. 4641) und Ines Kaps (Lugt Nr. 3551). 19,1 ✗ 16,2 cm Robert Erbe Gebirgsbach mit Kaskade im Achental
Nº 37 Farn am Baumstamm Aquarell über Bleistift auf Papier. Verso Sammlerstempel Dr. Rainer Kaps (Lugt Nr. 4641). 12,2 ✗ 21,8 cm Robert Erbe
Ist Georg Estler noch ein Schüler Richters oder zählt er vielmehr zu einem Schüler der Richter-Schule? Als der junge Maler mit vierzehn Jahren in die Dresdner Kunstakademie eintrat, hatte er schon einen grundlegenden Unterricht im Zeichnen an der Bürgerschule sowie bei einem Meißner Porzellanmaler erhalten. Zunächst in Übungsklassen bei verschiedenen Lehrern, nahm er erst 1877 an den Landschaftsklassen Ludwig Richters teil. Dieser jedoch war durch sein fortgeschrittenes Alter und eine Sehschwäche eigentlich schon in den Ruhestand getreten und hatte die Obhut seines Ateliers seinem Schüler Paul Mohn überlassen, der nun für die Ausbildung der Landschafter an der Akademie sorgte. Der alte Lehrer ließ es sich aber nicht nehmen, auch selbst die Klassen zu besuchen und die Schüler an seiner Erfahrung teilhaben zu lassen. Estler berichtet von der freundlichen Art Richters. Er habe gerne anekdotenhaft aus seinem Leben erzählt und habe eine viel freiere Entwicklung der jungen Künstler zugelassen als Paul Mohn. Nach zwei Jahren wechselte Estler zur Historienklasse von Julius Hübner, lernte bei Leon Pohle, dem berühmten Richter-Porträtisten, das Bildnismalen und wurde 1881 schließlich Meisterschüler bei Friedrich Preller d. J., der in der Nachfolge Richters die Ausbildung der jungen Künstler in der Landschaft übernahm. Immer im Dunstkreis Ludwig Richters, beschritt Estler ganz eigene Pfade, unter denen die Anweisungen Richters im Landschaftsatelier wohl nur anteilsmäßige Spuren hinterlassen haben. Auch Estler ging nach Italien, in seiner Vita sind drei lange, bis zu zwei Jahren andauernde Aufenthalte in Rom, den beliebten Zielen deutscher Künstler in der Campagna: Olevano und Tivoli sowie auf der Insel Capri verzeichnet. In den Zwischenzeiten, zu denen er wieder in Dresden weilte, wurde er selbst zum Lehrer und unterrichtete Schüler in der Landschaftsmalerei. Um die Jahrhundertwende etablierte sich seine Lehrwerkstatt und zog zahlreiche junge Künstler an, nicht zuletzt, da zu dieser Zeit außer Estler nur wenige ausgewiesene Landschaftsmaler in Dresden aktiv waren. Mit diesen, etwa Carl Wilhelm Müller und Wilhelm Ritter, begründete Estler die Künstlerkolonie Goppeln, wo man sich besonders auf die Landschaft, die Natur und das Freilichtmalen konzentrierte und die sich später mit der Sezession verbinden sollte. Die um 1894 in Goppeln entstandenen, modernen Stimmungslandschaften geben wohl den passenden Rahmen für die Zeichnung Dresdens, vom Palaisgarten aus gesehen (Kat. Nº 38). Hier verdunkelt sich die nahezu ikonische Silhouette aus Frauenkirche und Hofkirche zum klar umrissenen Hintergrund, während vorn neben Andeutungen der Gartenarchitektur vor allem eine steinerne Ziervase das Bild bestimmt. Dabei drückt die Zeichnung das genaue Verständnis der (Stadt-)Landschaft aus. BO Georg Estler (1860 Meißen – Dresden-Klotzsche 1954)
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