Produktinformationen "Bei Cività Castellana"
Die Jahre 1842 bis 1846 verbrachte Carl Hummel, der Schüler Friedrich Prellers, in Italien – zwar zumeist in Rom, doch bereiste er auf den Spuren seines Lehrers auch intensiv das Land, besuchte Sizilien und Capri und die nähere Umgebung von Rom. 1844 wandte er sich nach Norden, hielt sich in Narni auf, wo einige Landschaften direkt vor der Natur entstanden , und dürfte bei dieser Gelegenheit auch das nur wenige Kilometer südlich gelegene Cività Castellana besucht haben, jene alte auf einem Felsplateau über den tief eingeschnittenen Tälern des Rio Maggiore und des Rio Filetto gelegene etruskische Metropole der Falisker. Seine spektakuläre, malerische Lage hatte Cività Castellana zu einem beliebten Studienort deutscher und französischer Künstler gemacht, die hier Quartier nahmen und es zum Ausgangspunkt ihrer Streifzüge durch die benachbarten Täler machten – am bekanntesten ist Camille Corot, der dort in Begleitung von Johann Carl Baehr im Frühjahr 1826 auf Ernst Fries traf. Hummels besonderes Interesse hatten in Narni die schroffen, ins südliche Licht getauchten Karstfelsen geweckt, und auch die Umgebung der Faliskerstadt mit ihren zerklüften, steil abfallenden Felsformationen bot in dieser Hinsicht vielfältige Motive. Die Künstler waren fasziniert von den hohen rötlichen, bisweilen bizarren Formationen der Tuffsteinfelsen, die sich gegen die vielfältigen Formen der üppigen Vegetation zu behaupten versuchten – sie machten den Kontrast von Vegetation und schroffen, leuchtendem Gestein zu ihrem Thema. Hummels in Cività Castellana entstandene Studie wird beherrscht von einem mächtigen Felsen, den er in leichter Diagonale ins Bild gesetzt hat, die dem Gemälde eine subtile Dynamik verleiht. Der Bewegungsimpuls des nach links abfallenden Felsen wird nicht nur von dem angrenzenden, durch eine tiefe Schlucht getrennten Felsen horizontal aufgefangen – die sich in den Felsen durch Wind und Wetter eingegrabenen Furchen betonen als Gegengewicht die Vertikale. So entsteht ein feines Geflecht verschiedener, auch gegenläufiger Bewegungen, die aber ganz verhalten anklingen, weil Hummel die Einzelformen zu einem Ganzen zusammenbindet, in dem Vegetation und Felsen zu einer Einheit verschmelzen. Die wuchernde Vegetation scheint sich des Felsens zu bemächtigen, überzieht ihn gleichsam von oben und unten; mit ihren verschiedenen Grüntönen belebt sie den amorphen Felsen und gibt ihm eine lebendige Struktur. Hummels Studie steht in der Tradition der Freilichtmalerei und doch abstrahiert er von der Naturbeobachtung, allerdings ohne die Bildordnung zu verlieren – Licht, Farbe und Raum sind greifbar und der fließende Pinselstrich notiert mit großer Ausdruckskraft die vielfältigen Stofflichkeiten von Gelände und Vegetation. Eine „stumpfe“, erdige Farbigkeit von kraftvollem, fließendem Duktus kontrastiert dabei zum blau leuchtenden Himmel – aus dem Gegensatz zwischen Himmel und Erde bezieht die Studie ihre Wirkmacht, die nicht ohne Dramatik bleibt, in der von fern noch das Vorbild der heroischen Landschaftsmalerei von Hummels Lehrer Friedrich Preller nachklingt. Zugleich erinnert sie aber auch an Corot, der nicht zufällig denselben Felsen gemalt hat – Hummel ist derjenige, der Prellers klassischen Kanon modifizierte,weiterentwickelte und ihn für die Freilichtmalerei öffnete. Der mächtige Felsen blieb auch für künftige Generationen attraktiv – der Berliner Maler Albert Hertel, der sich von 1863 bis 1867 in Italien aufhielt und sich dort dem Kreis um Heinrich Dreber anschloss, malte den Felsen so , dass es ihm gelang, „Italien ganz mit dem Auge eines Malers aufzufassen und als rein malerisches Erlebnis wiederzugeben.“ Ähnliches ließe sich auch von Hummel sagen, der weder Idealist noch Romantiker, aber auch kein reiner Realist war, sondern Elemente dieser Stilrichtungen zu einer ganz eigenen Bildauffassung verband.