Produktinformationen "Bei Olevano"
Im Jahr 1862, als unser Blatt entstand, war die Romantik noch nicht ganz vorbei - die Landschaft auf unserem Blatt ruft die Erinnerung an ähnliche Berglandschaften deutscher Romantiker wach und arbeitet mit Motiven der Epoche. Ein Regenbogen spannt sich über die Berge in einer Weise, die an Joseph Anton Kochs 1805 vollendetes Gemälde Heroische Landschaft mit Regenbogen erinnert und auch die sinnend die Landschaft betrachtende Rückenfigur des Mönches gehört zum Repertoire der Romantik: Mensch und Natur gehen eine harmonische Einheit ein, in der der Mönch angesichts der Schöpfung Gottes demütig und andächtig einhält. Der Zeichner des reizvollen, bildhaft ausgearbeiteten Blattes ist der in Weimar beheimatete Friedrich Preller, doch war zunächst umstritten, ob es vom Vater oder seinem gleichnamigen Sohn stammt. Vom Kunsthandel früher als Arbeit des älteren Preller angeboten, hat sich inzwischen zu Recht die Meinung durchgesetzt, dass es sich bei dem Blatt um eine frühe Zeichnung seines talentierten Sohnes handelt. Die Unsicherheit über die Autorschaft ist allerdings verständlich, denn tatsächlich könnte es von der Auffassung her auch vom Vater stammen - zumal Friedrich Preller d. Ä. erst kurz zuvor von einer Reise aus Rom zurückgekehrt war. Die Signatur lässt indes keinen Zweifel, dass das Blatt im Februar 1862 in Rom zu einem Zeitpunkt entstanden ist, als der Vater Preller nicht mehr in Rom weilte. Zurückgeblieben war aber sein Sohn Friedrich, der seinen Vater und seine Mutter auf dieser Reise begleitet hatte.
Friedrich Preller d. J. hatte seit seiner "frühesten Kindheit eine nicht zu bezähmende Sehnsucht nach Italien, nach dem Süden überhaupt" in sich gespürt. Im Spätsommer 1859 war es endlich soweit - der 21jährige brach zusammen mit Mutter und Vater nach Rom auf, wo die Reisegruppe Anfang Oktober eintraf. Noch im selben Monat begaben sie sich sogleich in das östlich von Rom gelegene Olevano, jenem Sehnsuchtsort deutscher Künstler, den Koch kurz nach 1800 für die Kunst entdeckt hatte. Dort hatte Preller d. J. viel gezeichnet und auch in den beiden darauffolgenden Jahren hatte er mit seiner Familie den in den Äquerbergen gelegenen Ort besucht, um dessen malerische Umgebung zeichnend zu erkunden. Diese Aufenthalte ruft das sorgfältig ausgearbeitete Blatt in Erinnerung, das in Rom im Atelier aus der Erinnerung bzw. nach Studien vor Ort entstanden ist. Es zeigt den Blick von Norden auf das Olevano benachbarte Civitella, das heutige Bellegra. Bereits seinem Vater war nirgends "der organische Zusammenhang in der Natur so klar wie hier" erschienen, und auch Preller d. J. besuchte diese Gegend wiederholt. Während seines Aufenthaltes in Olevano im August 1860 hatte er bereits den Blick von Olevano nach Civitella von ähnlicher Stelle in einer naturalistischen Ölstudie festgehalten - unser später entstandenes Blatt bewegt sich indes zwischen Naturbeobachtung und romantischer Stilisierung. Der alles überspannende Regenbogen inszeniert die Landschaft gleichsam als kosmologische Schau, der der stehende Mönch sinnend beiwohnt, und ist romantisches Erbe voller Poesie. Der Mönch erinnert an jene Episode, die Friedrichs Vater anlässlich eines Besuchs in San Pietro in Vincoli im Frühjahr 1860 in seinem Tagebuch notiert hatte: Von dort lag ihnen Rom zu Füßen und ein Mönch trat zu ihnen, der "still in sich versunken an einer Brustwehr [lehnte] und mit der schönen Umgebung wieder ein wahrhaft poetisches Bild [machte]." Auch das Blatt des jüngeren Preller ist voller dichterischer Tiefe und von erdgeschichtlicher Bedeutung in einer Weise erfüllt wie sie Joseph Anton Koch seinen Gemälden und Zeichnungen zugrunde legte; und nicht zuletzt bezeugt diese Verbindung die Verwendung der monochromen Sepia, die Koch für bildhaft ausgearbeitete, für den Verkauf bestimmte Blätter bevorzugte. Dessen Werke waren Preller d. J. durch seinen Vater bereits bekannt, der das Erbe Kochs bis in die zweite Jahrhunderthälfte trug, doch scheint auch die Begegnung mit Heinrich Dreber ihre Spuren hinterlassen zu haben. Ihn hatte Preller noch 1859 in Olevano kennen- und schätzen gelernt; er bewunderte dessen Arbeiten besonders, die "eine so ideale Schönheit, eine so reiche Phantasie und eingehende Kenntnis der Natur und dabei eine so bezaubernde Liebenswürdigkeit der Darstellung zeigten, daß ich ganz überwältigt war." Es ist dieses harmonische Gleichgewicht zwischen Idealität und Fantasie, von Naturbeobachtung und Stilisierung, das auch Prellers Blatt auszeichnet.
Es ist im Februar 1862 in Rom kurz vor Prellers Rückkehr nach Weimar entstanden. Noch Anfang des Jahres hatte er zusammen mit dem Theologen Karl August von Hase, Kirchenrat aus Jena, Olevano kurz besucht, der "eine besonders reizvolle Stelle zwischen Olevano und Civitella […] von mir gemalt zu sehen" wünschte. Die Vorstellung, dass das poetische Blatt diese Begebenheit mit dem Theologen wiederspiegelt, ist nicht ohne Reiz. (Text: Peter Prange)