Produktinformationen "Blick auf die Engelsburg in Rom"
Für Ansichten Roms war die Engelsburg schon seit langem ein beliebtes Motiv, als sich Friedrich Weinbrenner, der angehende Architekt und spätere Baudirektor des Landes Baden, von 1792 bis 1797 in der Stadt aufhielt. Das antike Mausoleum des Kaisers Hadrian faszinierte ebenso der prominenten Geschichte wie reinen Geometrie wegen. Der monumentale Rundbau verkörperte perfekt den Brückenkopf zwischen dem Siedlungskern im Tiberknie und dem Vatikan. Deshalb wurde er meist frontal über den Ponte Sant’Angelo oder von Osten mit Blick auf die Kuppel des Petersdoms abgebildet.
Dieses bislang unbekannte Blatt enthüllt uns nun Weinbrenners Sicht auf das zentrale Bauwerk, eine ungewöhnliche. Wo entstand sie? Der Blickwinkel von Südwesten über das Tiberknie hinweg weist zurück nach Trastevere in einen Bereich, der sich seit damals durch massive Eingriffe bis zur Unkenntlichkeit verändert hat. Vielleicht stand Weinbrenner an einem der oberen Fenster im historischen Krankenhaus Santo Spirito, vielleicht auf der gleichnamigen Bastion dahinter.
Lässt sich der Standort auch nicht genauer bestimmen, so war er in jedem Fall bewusst gewählt. Er eröffnete Weinbrenner diese außergewöhnliche Sicht auf die Engelsburg, mit der sich das Blatt jedoch in seine bisher bekannten Italienveduten einreiht, die in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe aufbewahrt werden. Denn wenn er antike Monumente abbildete, lenkte Weinbrenner das Auge stets auf das Nebeneinander mit ihrer jetztzeitigen, bisweilen sehr schlichten Nachbarschaft. So auch hier. Der erhöhte Standpunkt erlaubt uns den äußerst seltenen Blick auf die Dachaufbauten der Engelsburg. Auf Weinbrenners Zeichnung überraschen sie doppelt, denn sie erscheinen gleichgewichtig mit dem imposanten antiken Unterbau und zudem als malerische Gruppe einzelner Häuser, die sich wie ein Dorf aneinander drängen - oder auch wie die Häuser im Tiberknie am rechten Bildrand.
Am prominenten Objekt der Engelsburg demonstriert Weinbrenner hier seine persönliche, aber folgenreiche Erkenntnis, dass die geschichtsbeladenen Fragmente des antiken Italien mit den zeitlosen Wohngebäuden eine regelrechte Symbiose eingehen. Hatte ein Giovanni Battista Piranesi die geschichtsbeladenen Fragmente des antiken Italien auffällig von ihrer Umgebung isoliert, indem er ihre Dimensionen und die Spuren der Zeit übersteigerte, verband sich vor Weinbrenners Augen selbst ein so monumentales Fragment wie die Engelsburg mit den bescheidenen Nachbarhäusern zum modernen, sprechenden und zugleich wohnlichen Stadtbild. Diese Erfahrung konnte er später in seinen Großbaustellen umsetzen, allen voran in Karlsruhe und Baden-Baden.
Zunächst aber entstand diese sachliche und zugleich malerische Sichtweise auf dem Papier, wie eben im Angesicht der Engelsburg. Hierbei kam ihm, der schon als Vierzehnjähriger die Zeichenschule seiner Heimatstadt Karlsruhe besuchte und das Erworbene seinerseits an Interessierte weitergab, seine bevorzugte Technik zupass: Die feinen Striche, in Bleistift vorgezeichnet und in Tusche ausgezogen, umreißen die unterschiedlichen Bildmotive klar; in der Fläche verschmelzen diese indes durch die Lasur in Sepiatinte zu einem Relief aus Licht und Schatten, das dank der präzisen Luftperspektive auch den Übergang von der Stadt in die Landschaft überzeugend darstellt. Die Grundthemen Licht und Schatten, Form und Raum, Stadt und Landschaft ziehen sich durch Weinbrenners Lebenswerk. Weil er sie hier konsequent an diesem repräsentativen Motiv veranschaulicht, zählt dieses Blatt zu den bedeutendsten seiner lavierten Reiseskizzen. Aus demselben Grund dürfte es sich wohl auch sein Schüler Ebeling von dessen beiden Schwiegersöhnen direkt aus dem Nachlass erbeten haben, was diese auf der Rückseite quittierten: "Zum Andenken für Herrn Ebeling gegeben von Walz und Holz".|ums| Wasserzeichen: H. I. Z. und Wappen