
Campagnalandschaft mit heimkehrender Bevölkerung
inkl. Mwst. & inkl. Versandkosten
Art.-Nr.: 12841
Sofort versandfertig, Lieferzeit 1-3 Werktage***
- Technik: Aquarell über Federzeichnung auf Karton
- Unten links signiert
- Zustand: Guter Zustand. Papier leicht gebräunt.
- Karton: 32,3 cm x 58,5 cm, Rahmen: 53,0 cm x 79,0 cm
- Epoche: Romantik
- Jahr: 1878
Aus dem illustren und umfangreichen Schülerkreis Ludwig Richters sticht Viktor Paul Mohn besonders hervor. Er und Albert Venus hatten sowohl künstlerisch als auch menschlich die engste Bindung an den Lehrer und Mohn übernahm 1869 stellvertretend dessen Amt an der Dresdner Kunstschule. Den enormen Einfluss, den Richter als Künstler auf Mohn hatte, kann man an vielen seiner Aquarelle und Illustrationen ablesen. Die erste Italienreise, die er 1866 zusammen mit Albert Venus unternahm, stand ganz im Zeichen des Lehrers: Die Künstler besuchten nicht nur dieselben Orte, die diesen Jahrzehnte zuvor so beeindruckt hatten. Sie orientierten sich auch in ihrer Arbeitsweise an Richter. Dessen graphische Präzision, gepaart mit einem sensiblen Gespür für atmosphärische Stimmungen, wurde auch für Mohn und Venus in Italien bestimmend, auch wenn ihre Interpretation durch vielfältige Übersteigerungen dieser Grundelemente einen ganz eigenen, häufig schon über-idealisierten Charakter bekam.1 Als Mohn 1868 erneut in Italien weilte und dort wieder auf seinen Freund Albert Venus traf, zeigte er sich enttäuscht von dessen Abkehr von den Richterschen Idealen der klaren Linie. "Der Teufel reitet ihn, sein zweites Wort ist - Achenbach."2 Malerische Freiheit, Dominanz der Farbe, impressionistische Verwirbelungen: all dies entsprach nicht Mohns Kunstweg. Doch dass auch er auf Seitenpfaden wandelte, die sich von seinem großen Vorbild entfernten, wird auch heute noch zu wenig beachtet. Zwar hat er nie den malerischen Effekt über die Klarheit der zeichnerischen Aussage gestellt, doch gerade in einem großformatigen Aquarell wie unserem zeigt sich in der Komposition eine ganz eigene Tendenz der Bilderfindung, die nicht aus dem uvre des Lehrers heraus zu erklären ist. Unser Bild zeigt einen Zug italienischer Landleute, die mit ihrer Herde und allerlei Handwerkszeug durch die karge Landschaft ziehen. Solche Gruppierungen von Bauern, die nach getaner Arbeit heimwärts wandern, finden sich in vielen Gemälden Richters in ähnlicher Zusammensetzung. Dennoch unterscheidet sich Mohns Komposition grundlegend von all jenem, aus dem Richter seine Bilder zusammensetzte. Im Gegensatz zu Richter fehlt bei Mohn das Motiv der Heimkehr. Der weit gestreckte Zug verliert sich in der Distanz, verschwindet, ohne dass der Betrachter das Ziel erahnen könnte. Das Fließende der Wanderung wird zum eigentlichen Inhalt des Bildes. Die Bewegung in die Offenheit des Bildhintergrundes hinein ersetzt das Telos solcher Gruppierungen bei Ludwig Richter, der die meisten seiner Bilder als Bühne konzipiert, auf deren Vordergrund die Personen in einem geschlossenen Wirkungskreis agieren. So wird in der heimeligen Enge Schutz und Geborgenheit suggeriert. Der Mensch erscheint als ein sich einnistendes Wesen, dem der innerste Wirkungskreis Lebenszentrum ist. Mohn gestaltet seine Figuren, zumindest in diesem Bild, gänzlich anders. Allein schon die Separierung der einzelnen Gruppen löst die Enge der Richterschen Figurenhaufen auf, was durch die Verteilung über den weiten Bildraum unterstützt wird. Immer kleiner und kleiner werden die Figuren in der Distanz, ein Aspekt, der bei Richter so gut wie nie vorkommt, da seine Figurengruppen immer geschlossene Formationen bilden. Mohns Kompositionsidee, den Wanderweg aus dem mittleren Vordergrund heraus in einer Kurve in den Hintergrund zu führen, ermöglicht es dem Betrachter, sich gleichsam diesem Zug der Landleute anzuschließen. Diese Offenheit und Betrachterpartizipation widerspricht dabei Richters Idee eines locus amoenus, der trotz aller realistischen Details als Idealvorstellung die Grundlage seiner Kompositionen bildet und gerade nicht dazu gedacht ist, Teilhabe zu evozieren.3 Distanz und Abschottung werden zu den Grundvoraussetzungen der Sehnsucht als elementarem Bestandteil seiner Gemälde. Programmatisch hierfür ist jener träumende Blick des Wanderers, den Richter auf seinem Gemälde Überfahrt am Schreckenstein4 auf seinen Stock gestützt dargestellt hat. Es ist jenes Unerreichbare, das als träumerische Vision den Menschen tief berührt. Mohn hat diese Vision zugunsten einer Teilnahme aufgelöst und hierfür sind jene klare Formensprache und die Reduktion der Verdichtung entscheidend, die sich gerade auf Richters Gemälden mit ihren aufeinander und ineinander gebauten Bildelementen selten finden. Die Landschaft selbst unterstützt bei Mohn den Aspekt der Klarheit und Weite. Bis etwa zur Mitte des Blattes erstreckt sich der Vordergrund, erst dann schließen die Bergformationen den Raum nach hinten ab, allerdings nicht hermetisch. Die von Wolken teilweise durchzogene blaue Bergkette im Hintergrund wirkt alles andere als versperrend. Vielmehr erscheint sie fast wie eine Fata Morgana, die sich im Dunst des italienischen Lichtes selbst schon wieder aufzulösen beginnt. Der rechte Bildraum ist nicht, wie häufig bei Richter, von massigen Bäumen oder Felsgestein bevölkert, sondern gibt sich als weite Fläche zu erkennen, die lediglich graphisch akzentuiert wird durch die Gräser, das licht wachsende Gestrüpp und die dürren Bäumchen. Mohn führt in unserem Aquarell ein Kompositionsmuster fort, das sich bereits in seinem 1873 entstandenen Gemälde Osterprozession römischer Landleute5 findet. Zwar dominiert hier das kleine Bergdorf als Ziel des Wanderzuges, doch landschaftliche Kargheit und klare Komposition sind auch hier schon Elemente der Öffnung. Am linken Bildrand hat sich der Künstler schließlich selbst als Teil jener Prozession eingemalt und verstärkt so den Aspekt einer realen Begebenheit, die sich nicht mehr mit der Rolle einer Evokation idealer Umstände zufrieden geben mag. Wenn Albert Venus durch seine Hinwendung zur impressionistisch geprägten Freilichtmalerei die enge Bindung an den Lehrer Ludwig Richter erweiterte, dann tat dies Mohn durch seine neu gewonnene Kompositionsweise, die durch Belebung und Öffnung nicht mehr Vision sein möchte sondern Partizipationsfläche und damit einen Schritt Richtung Realismus geht, allerdings ohne das romantische Erbe als bestimmenden Grundton aufzugeben. So könnte man von einer behutsamen Modernisierung sprechen, die Mohn seinem Werk gegenüber Richters zuteilwerden lässt. --- 1 Vgl. Mohns Aquarelle Felsen und Eichen in der Serpentara und Die Sabiner Berge und Rocca Santo Stefano von Civitella aus, beide von 1869, in der National Gallery of Art, Washington, Inv. Nr. 2007.111.128 und 2007.111.129. 2 Zit. nach Friedrich 1956, S. 118. 3 Lediglich in seinem Gemälde Civitella (Der Abend) von 1827/28 hat Richter das Motiv der Betrachterteilnahme in sein Bild eingeführt, hier allerdings autobiographisch bedingt, denn die den Betrachter über die Schulter anschauende und damit in das Bild einbindende Italienerin ist Richters Frau Auguste. Vgl. A.-Kat. Dresden 2003, S. 141f. 4 Ludwig Richter, Die Ãberfahrt am Schreckenstein, 1837, Ã-l auf Leinwand, 116,5 x 156,5 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Galerie Neue Meister, Inv. Nr. 2229. 5 Auktion Christieâs Düsseldorf, 31.01.2000, Lot 106.