Produktinformationen "Felslandschaft mit Eremitage"
Als Kolorist ist Johann Georg Wagner, der jung verstorbene, doch zu seiner Zeit berühmte sächsische Landschaftsmaler aus dem späten 18. Jahrhundert, vor allem durch seine Gouachen bekannt. Zwar gibt es unter seinen zahlreichen Feder-, Pinsel- und Kreidezeichnungen Blätter, die als Kompositionsentwürfe für Tafelgemälde gedient haben können, doch vollendete Landschaftsgemälde von seiner Hand sind kaum überliefert. (1) Dies mag der langwierigeren Arbeitsweise geschuldet sein, für die ihm in seinen 23 Lebensjahren kaum Zeit blieb. Zudem besteht nach über zweihundert Jahren auch die Gefahr der Verwechselung mit Gemälden, die seine Mutter, die Landschaftsmalerin Maria Dorothea Wagner (1719-1792), oder sein Onkel, ihr Bruder Christian Wilhelm Ernst Dietrich, genannt Dietricy (1712- 1774), geschaffen haben. Umso mehr ist dieses gut erhaltene Gemäldepaar zu schätzen, von denen eines, die Felslandschaft mit einem Wasserfall und einer Holzhütte, unten links eindeutig signiert ist. Im Gegensatz zu den meist hellen, ja kühlen Farben seiner Deckfarbenblätter weisen diese beiden Landschaften mit Einsiedlerhütten jeweils Ocker-, Grün-, Oliv- und Brauntöne auf. Aus der dunstigen Atmosphäre, einem Sfumato, das mit einer gewissen formalen Unbestimmtheit einhergeht, treten einzelne Pinselstriche hervor, die die Bohlen der Hütten, einzelne Zweige und Blätter bezeichnen. Selbst die Figuren - jeweils ein Greis am Stock - erscheinen nur angedeutet und deshalb weniger plastisch als die Felsen, das sprudelnde Wasser des Flusses oder sogar als die Wolken am tiefblauen Himmel. Mit diesem warmen Kolorit und mit der noch barock anmutenden Art, Felslandschaften im Hochformat zu komponieren und ihnen als Staffage jeweils einen Mönch vor seiner provisorischen und halb verfallenen Hütte beizufügen, bezog sich der junge Wagner noch stark auf seinen Onkel, den Dresdner Hofmaler Dietrich, bei dem er auch gelernt hatte. Derartige Motive finden sich unter dessen Gemälden ebenso wie unter seinen Radierungen und seinen Zeichnungen. So sind zum Beispiel im Dresdner Kupferstich-Kabinett aus Dietrichs Nachlass locker gezeichnete, konturenlose und sehr atmosphärische Kreidezeichnungen überliefert, in denen die Bildgegenstände nur teilweise aus dem Dunkel hervortreten. (2) Sie bilden gleichsam eine Entsprechung zu dem weichen Auftrag der Ölfarben in Gemälden wie Wagners Bilderpaar. Entsprechend der zeitgenössischen Kunsttheorie, nach der die Figuren- und Architekturstaffage den Charakter einer Gegend näher zu bestimmen habe, weisen die Einsiedler hier auf den einsamen, verschwiegenen und wilden Charakter der Landschaften hin. Selbstverständlich begegnet man hier Inventionen - Erfindungen eines schöpferischen Künstlers, der sich weniger von der Natur selbst als von überlieferten Vorbildern inspirieren ließ, in diesem Falle von den Landschaftsmalern der Niederlande des 17. Jahrhunderts, die in der Dresdner kurfürstlichen Gemäldegalerie in großer Vielfalt studiert werden konnten. Dennoch ließen sich Dietrich wie Wagner mit ihren Landschaften auch durch die Gegend zwischen Dresden und Meißen inspirieren. Dies zeigen die Bildunterschriften auf Kupferstichen beispielsweise von Adrian Zingg (1734-1816) nach Dietrich oder von Johann Adolph Darnstedt (1769-1844), Carl Friedrich Holtzmann (1740-1811), Johann Gottlob Schumann (1761-1810), Carl Wilhelm Weisbrodt (1743-ca. 1806) und von Zingg nach Vorlagen von Wagner, die auf die Umgebung von Meißen oder Dörfer bei Dresden verweisen. Dabei standen landschaftliche Szenerien mit Hügeln, Böschungen, Bäumen und Gewässern im Vordergrund des Interesses, die heute fast nicht zu lokalisieren sind. Durch ältere Bildmuster hindurch wurden diese Landstriche auf neue Weise wahrgenommen, sodass der Stimmungsgehalt der realen Natur und überlieferte Sehgewohnheiten sich einander annäherten. Dietrich beherrschte zwar mit Historien, Porträts, Genreszenen und mit seinem Radierwerk in Rembrandts Stil alle Bildgattungen, doch wurden seine Landschaften seit jeher am meisten geschätzt. Er war darin von dem Dresdner Hofmaler Johann Alexander Thiele (1685-1752) unterrichtet worden. Doch schon sein Vater Johann Georg Dietrich (1684-1752), Wagners Großvater, war Hofmaler in Weimar und auch Rahel Rosina Böhme (1725-1770) und Maria Dorothea Wagner sowie deren Ehemänner Carl Wilhelm Böhme (1719 oder 1720-1795) und Johann Jakob Wagner (1720-1797) - Johann Georgs Verwandte und Eltern - waren als Maler, Kopisten und Porzellanmaler tätig. Wagners Umfeld war seiner frühen künstlerischen Entwicklung demnach wohlgesonnen und förderlich. Dennoch hätte er nicht so bekannt werden können, wenn er in Dresden mit Dietrich, Zingg und Joseph Roos (1726-1805) sowie seinem Bewunderer Johann Christian Klengel (1751-1824) und in Paris mit Johann Georg Wille (1715-1808) nicht so rührige Förderer gehabt hätte. Sie sorgten dafür, dass er Aufträge erhielt, dass seine zahlreichen Werke im Umlauf blieben und von mindestens 30 Radierern und Kupferstechern reproduziert wurden und dass besonders seine Gouachen auch den Pariser Kunstmarkt eroberten. Dort wurde es Mode, coloriés d'après Wagner oder dans la manière de Wagner zu malen. (3) Deshalb sind Wagners Werke heute in den öffentlichen Graphischen Sammlungen von Coburg, Dresden, Frankfurt, Hamburg, München und Schwerin ebenso vertreten wie in London, Paris oder Wien. Unter seinen sächsischen Nachahmern schufen vor allem Carl Gottlob Ehrlich (1744-1799), Johann Gottfried Jentzsch (1759-1826), Johann Friedrich Nagel (1765-1825), Johann Gottlob Samuel Stamm (1767-1814) oder Johann Gottlob Friedrich Tiebel (1750-1796) Deckfarbengemälde in Wagners Manier. Es ist zu hoffen, dass weitere Werke von Wagners Hand unser Bild von ihm vervollständigen werden. Unter den bisher überlieferten erscheinen die Bergige Landschaft mit strohgedeckter Blockhütte auf Pfosten und die Felslandschaft mit einem Wasserfall und einer Holzhütte als selbständige, von Dietrich inspirierte Werke eines Künstlers, der in seiner kurzen Lebensspanne erstaunlich begabt und produktiv war und damit in der sächsischen Landschaftsmalerschule des 18. Jahrhunderts bis heute einen eigenen Platz behauptet. ------(1) Eine Ausnahme bildet die großformatige Felsenlandschaft in Öl auf Leinwand in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen München, Inv. Nr. 6572. // (2) Dresdner Kupferstich-Kabinett, Kasten C II, Dietrich III.// (3) Vgl. hierzu und zu Wagner allgemein: Fröhlich 2000, S. 230-234.